Entwicklung von Citizen-Science-Kapazitäten in Deutschland
Das Bausteinprogramm „BürGEr schaffen WISSen – Wissen schafft Bürger (GEWISS)“ hat bundesweit einen offenen Dialog zur Entwicklung von Citizen Science in Deutschland mit Akteuren aus Wissenschaft, Gesellschaft und Politik von August 2014 bis Dezember 2016 koordiniert und wissenschaftlich begleitet.
Im Fokus standen die Entwicklung des Grünbuchs Citizen Science Strategie 2020 für Deutschland mit Visionen für Citizen Science in Deutschland, die Vernetzung von Akteuren aus Wissenschaft, Gesellschaft und Politik sowie die Bereitstellung von praktischen Ressourcen zur Entwicklung von Citizen Science-Kapazitäten. Zentrale Ergebnisse des Projektes sind der Ausbau und die Etablierung der Citizen Science-Gemeinschaft und ein gemeinsam durchgeführter Diskurs zu Citizen Science mit der Identifizierung von Möglichkeiten und Potenzialen von Citizen Science in Deutschland. Mehr als 1.200 Akteure und Interessengruppen aus über 380 Organisationen und Einrichtungen brachten ihre Perspektiven zu Citizen Science in Deutschland ein. (Die Angaben zur Teilnahme basieren auf Anmeldelisten und individuellen Angaben der vertretenen Organisationen bzw. Einrichtungen.) Die Teilnehmenden stammten aus universitären und außeruniversitären Einrichtungen (53% anteilige Beteiligung) sowie aus zivilgesellschaftlichen Organisationen, wie den Verbänden, Vereinen und Fachgesellschaften (30% anteilige Beteiligung). Ebenfalls am Entwicklungsprozess Beteiligte waren Bürgerinnen und Bürger (6% anteilige Beteiligung) und Vertreter aus den Bereichen der Politik und Wissenschaftskommunikation (11% anteilige Beteiligung). Die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern erfolgte hauptsächlich durch kürzere Veranstaltungsformate wie die Lange Nacht der Wissenschaft in Leipzig und Berlin und Diskussionsveranstaltungen in Zusammenarbeit mit den Wissenschaftsläden in Potsdam und Bonn.
Zentral für die Entwicklung von Kapazitäten für Citizen Science in Deutschland waren 13 bundesweit durchgeführte GEWISS-Dialogforen, inklusive Think Tank, Auftakt- und Abschlussveranstaltung. Diese wurden gemeinsam mit Gastgebern aus Wissenschaft und Gesellschaft organisiert. Themenschwerpunkte der Foren waren Citizen Science in Bildung, Science 2.0 und Open Science, Partizipation und bürgerschaftliches Engagement, Citizen Science im Natur- und Kulturgüterschutz, in den Geistes- und Sozialwissenschaften und Forschungsförderung für Citizen Science. Die Dialogforen wurden in verschiedenen Veranstaltungsformaten durchgeführt und umfassten unter anderem Workshops, World Cafés, Diskussionsrunden, Hackathons, Webinare und Barcamps.
Die Formate ermöglichten eine transparente und teilnehmerorientierte Bottom-Up-Vorgehensweise zur Entwicklungen von Kapazitäten und förderten den Aufbau des Citizen Science-Netzwerkes. Die Citizen Science-Strategie wurde aufbauend auf den Dialogforen und einer Online-Konsultation zum Rahmenpapier entwickelt. Mehr als 1.300 Besuche wurden auf der Webseite zur Online-Konsultation registriert. Über 300 Kommentare und 55 Positionspapiere von Vertretern aus Wissenschaft und Gesellschaft flossen in das finale Grünbuch. Die Fachveranstaltung zu Citizen Science auf der Woche der Umwelt mit Bundespräsident a.D. Joachim Gauck auf dem Gelände des Schloss Bellevue in Berlin wurde von zahlreichen Fachbesuchern und Bürgerinnen und Bürgern besucht. Das GEWISS-Team mit der European Citizen Science Association (ECSA) und internationalen Partnern war Gastgeber der ersten europäischen Citizen Science-Konferenz mit mehr als 380 Teilnehmenden aus 30 Ländern.
A. Richter, S. Wedekind, UFZ/iDiv
Die Konferenz bot mit einem Citizen Science Thinkcamp und einem Citizen Science Fest offene Formate für Bürgerbeteiligung. Als Ergebniss des Bausteinprogramms wurden gemeinsam Visionen für Citizen Science in Deutschland entwickelt und Vorschläge für Maßnahmen zur Weiterentwicklung von Citizen Science in drei Kernfelden formuliert (siehe Abbildung). Diese Bereiche umfassen die Stärkung, Neuschaffung und Integration von Citizen Science in Wissenschaft, Gesellschaft und Politik. Hierzu ergeben sich zehn Handlungsoptionen innerhalb der Kernfelder, die sowohl von der Wissenschaft und staatlichen und privaten Förderorganisationen, der Politik, aber auch der Zivilgesellschaft und ihren Organisationen sowie Einzelpersonen aufgenommen und in Aktionspläne umgesetzt werden können.
Das GEWISS-Bausteinprogamm machte deutlich, dass Citizen Science in Deutschland ein wachsendes Feld ist, das sich u.a. durch technologische Innovationen schnell und breit entwickelt. Es baut auf den langjährigen Erfahrungen aus dem ehrenamtlichen Engagement in den Verbänden und Fachgesellschaften auf und ist mit zahlreichen wissenschaftlichen Disziplinen verknüpfbar.
Die Wirkung des GEWISS-Bausteinprogramms bei der Etablierung von Citizen Science in Wissenschaft, Gesellschaft und Politik war vielfältig. Das Projekt ermöglichte zunächst das offene Aufeinander-Zugehen von Forschung, Gesellschaft und Politik.
Es fanden zahlreiche Diskurse zur inhaltlichen Auseinandersetzung zu Citizen Science sowohl auf Projektebene, als auch auf strategischer und politischer Ebene statt. Die Durchführung von Bottom-Up-Dialogen stärkte das Verständnis, die Legitimation und die wissenschaftlich und gesellschaftlich fundierte Anwendbarkeit von Citizen Science in Deutschland. Möglichkeiten einer Anbindung von Citizen Science an politische und gesellschaftliche Ziele wurden vielfach thematisiert.
Das GEWISS-Bausteinprogramm lotete Chancen und Herausforderungen von Citizen Science in Deutschland aus. Akteure aus Wissenschaft und Gesellschaft sehen ein großes Potenzial bei der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern in der Erhebung von Daten für wissenschaftliche Projekte. Die Akteure aus der Gesellschaft erachten aber auch eine breitere und umfassendere Integration in den Phasen der Definition oder Konkretisierung von Forschungsfragen sowie bei der Publikation und Kommunikation der Ergebnisse als wichtig. Citizen Science wurde auch als ein Baustein zur Umsetzung des Leitprinzip einer nachhaltigen Entwicklung gesehen.
Erfolgsindikatoren für die gewachsene Kapazität für Citizen Science in Deutschland infolge der Aktivitäten des GEWISS-Bausteinprogramms sind die Unterstützung von Citizen Science in der High Tech-Strategie sowie die Vertiefung mit Citizen Science im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung im Bundestag. Die Vielzahl und Vielfalt an Citizen Science-Projekten in Deutschland sowie die Ausrichtung eigener, z.T. interner Workshops zum Thema Citizen Science z.B. in verschiedenen zivilgesellschaftlichen Verbänden, im Umweltbundesamt (UBA), im Bundesamt für Naturschutz (BfN), in der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), verdeutlichen die derzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema Citizen Science auf institutioneller Ebene. Vor allem die Etablierung einer neuen Citizen Science-Förderrichtlinie durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit Bezug auf die Empfehlungen des Grünbuchs zur Citizen Science-Strategie und die Einreichung von über 300 eigenständigen Projektanträgen von verschiedensten Institutionen und neuen Partnerschaften im Herbst 2016 unterstreichen die Bedeutung von Citizen Science in Deutschland.
Ressourcen
Im Rahmen der GEWISS-Reihe und -veranstaltungen entstanden eine Vielzahl von Publikationen und Ressourcen, die hier abgerufen werden können.
Besonders hervorzuheben ist dabei das erste Forum Citizen Science im März 2016 im Festsaal der Berliner Stadtmission. Dort wurde die Citizen-Science-Strategie 2020 einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt und die vielen Citizen-Science-Aktivitäten in Deutschland sichtbar gemacht. Auf dem Forum wurde zudem die Anschlussfähigkeit von Citizen Science an weitere politische Strategien diskutiert. Das Programm als PDF finden Sie hier.
Das GEWISS-Konsortium
BürGEr schaffen WISSen (GEWISS) war ein Gemeinschaftsprojekt von Einrichtungen der Helmholtz- und der Leibniz-Gemeinschaft mit ihren universitären und außeruniversitären Partnern. Beteiligte Partnereinrichtungen waren das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) mit dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und der Friedrich-Schiller-Universität Jena und das Berlin-Brandenburgische Institut für Biodiversitätsforschung (BBIB) mit den Institutionen Museum für Naturkunde Berlin, Leibniz Institut für Evolutions- und Biodiversitätsvorschung (MfN), Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW), Freie Universität Berlin sowie der Leibniz Forschungsverbund Biodiversität (LVB) und Wissenschaft im Dialog (WiD).