Auf Exkursion mit Alexis Tinker-Tsavalas, Initiator der Berliner City Nature Challenge
Viele junge Menschen engagieren sich in ihrer Freizeit als Bürgerwissenschaftler*innen. Einer von ihnen ist Alexis Tinker-Tsavalas. Der 16-Jährige hat eine ausgeprägte Leidenschaft für Natur und Fotografie und führt mit 92.000 Beobachtungen aktuell die deutsche Rangliste in der Citizen-Science-App iNaturalist an. Für ihn ist das Naturschutzgebiet Döberitzer Heide aufgrund dessen vielfältiger Flora und Fauna ein wahres Paradies. Eine Exkursion durch das renaturierte Truppenübungsgelände verspricht Alexis viele neue Beobachtungen in iNaturalist und damit wichtige Daten zur Biodiversität. Weil das Gebiet bis 1991 fast ausschließlich militärisch genutzt wurde, blieb es weitgehend von einer Bewirtschaftung verschont. Dadurch konnte sich hier eine einmalige und gleichsam wertvolle Landschaft mit Heiden, Sandflächen und Trockenrasen entwickeln. Diese bietet einen idealen Lebensraum für viele, zum Teil sehr seltene Tier- und Pflanzenarten, die in der Döberitzer Heide Schutz und Rückzugsmöglichkeiten finden. Auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz konnten bisher mehr als 5000 Pflanzen- und Tierarten, darunter etwa 2000 verschiedene Käferarten, nachgewiesen werden. Ein ideales Terrain also, um mit Alexis ins Feld zu stechen und die bunte Insektenvielfalt der Heide durch sein Makroobjektiv zu erkunden.
Makrofotografie bezeichnet das Aufnehmen von Bildern besonders kleiner Motive, bei dem die moderne Kameratechnik zum Beispiel einzigartige Einblicke in die mikroskopische Welt der Insekten ermöglicht. Mit einem speziellen Makroobjektiv fängt Alexis die Farben und Texturen der krabbelnden Lebewesen ein. Seine Bilder machen Details der Bewohner des sandigen Bodens und des Heidegrases sichtbar, die mit bloßem Auge kaum zu erahnen sind. So unter anderem bei den Springspinnen, für die sich Alexis ganz besonders begeistert. Durch die Linse seiner Kamera betrachtet, offenbaren die achtbeinigen Heidebewohner mit den stechend blau-grünen Augen einen flauschigen Körper. Auch der Kirschfruchtstecher fällt auf. Nicht nur wegen seines klangvollen Namens, sondern auch, weil seine facettenreiche Färbung erst durch die Makrolinse in voller Pracht zur Geltung kommt. Während unserer Exkursion lernen wir von Alexis, dass die richtige Belichtung essentiell für ein gutes Foto ist. Dafür verwendet Alexis nicht einfach nur ein Blitzgerät, er hat es zusätzlich mit einem speziellen Aufsatz modifiziert. Dieser sogenannte Diffusor sorgt für ein gleichmäßiges, weiches Licht ohne Schlagschatten. Die Ergebnisse können sich wahrlich sehen lassen. So begeistert der junge Enthusiast mit seinen Makroaufnahmen auf Instagram bereits über sechzehntausend Follower*innen aus aller Welt.
Besagte Springspinne und der Kirschfruchtstecher teilen sich ihren Lebensraum auch mit einer etwas prominenteren Art: dem Wiedehopf. Der Vogel des Jahres 2022 ist aufgrund seines langen Schnabels, den orangefarbenen Scheitelfedern und der zebra-gestreiften Flügel leicht zu erkennen. Die Döbritzer Heide soll einige Wiedehopfe beherbergen, die hier sogar brüten, bevor sie im Spätsommer Richtung Afrika aufbrechen. Klar, dass wir gemeinsam mit Alexis nach dem Zugvogel Ausschau halten - leider ohne Erfolg. Während wir suchend durch das Fernglas schauen, erzählt uns Alexis davon, wie sich sein Interesse für die Tierwelt entwickelt hat. Am Anfang begeisterte er sich vorrangig für Vögel. Mit zunehmender Passion für die Fotografie kam das Interesse für kleinere Lebewesen wie Insekten und Spinnen noch hinzu. Alexis’ Begeisterung für die Vielfalt der Lebewesen ist deutlich spürbar: Zu allen Tieren, die ihm an diesem Vormittag vor die Linse kommen, hat er den lateinischen Namen parat. Alexis weiß meist schon vor dem Blick durch das vergrößernde Objektiv der Kamera, ob da ein seltener Käfer vor der Linse liegt oder nicht. Eine solche Artenkenntnis einheimischer Flora und Fauna ist heute selten geworden, noch dazu unter Jugendlichen. Wir sind mehr als beeindruckt!
Während wir die Döberitzer Heide durchstreifen, erzählt Alexis uns auch von seinem Engagement als Citizen Scientist, bei dem ihm seine große Artenkenntnis hilft. Mit seinen über 92.000 Beobachtungen auf der Citizen-Science-App iNaturalist rangiert Alexis auf dem ersten Platz in Deutschland. Doch damit nicht genug: In den vergangenen zwei Jahren war er Initiator der City Nature Challenge in Berlin, einem jährlich stattfindenden Bioblitz, an dem sich Städte auf der ganzen Welt beteiligen. Dank Alexis’ Bemühungen war 2022 auch das Museum für Naturkunde Berlin mit von der Partie. Ziel der City Nature Challenge ist es, Tiere, Pflanzen und Pilze innerhalb eines Wochenendes zu entdecken und diese Beobachtungen auf der Meldeplattform iNaturalist zu dokumentieren. Die City Nature Challenge ist eine großartige Möglichkeit, Menschen jeden Alters spielerisch für die Natur zu begeistern und das Bewusstsein für die Bedeutung des Naturschutzes zu schärfen. Gleichzeitig liefert der Bioblitz wichtige Daten für das Monitoring der urbanen Biodiversität.
Auch in diesem Jahr nimmt Berlin wieder an der City Nature Challenge teil. Sie findet zwischen dem 28. April und 1. Mai 2023 statt. Alexis organisiert die diesjährige Ausgabe als ehrenamtlicher Mitarbeiter des Citizen-Science-Teams des Museums für Naturkunde Berlin erneut mit. Wer also auch einmal mit Alexis die Vielfalt unserer Umwelt erkunden möchte, ist herzlich eingeladen, an den Veranstaltungen des Museums teilzunehmen. Bei einer gemeinsamen Aktion mit Bürger schaffen Wissen und unseren Kolleg*innen von GoNature geht es am 29. April in den Tiergarten. Außerdem wird es eine kleine Tour in den besonders vielfältigen Spandauer Forst geben. Wir sind schon gespannt darauf, was wir dieses Jahr entdecken werden und ob wir es gemeinsam mit vielen Berlinerinnen und Berlinern schaffen, die Tausend-Arten-Marke zu knacken.
Über die Autor*innen
Moritz Müller ist wissenschaftlicher Koordinator von Bürger schaffen Wissen. Neben der Betreuung der Projekte auf der Plattform setzt er sich mit dem breiten wissenschaftlichen Spektrum rund um Citizen Science auseinander.
Frederic Griesbaum ist Biologe mit Spezialgebiet Evolution und Biodiversität. In seiner Forschung am Museum für Naturkunde Berlin beschäftigt er sich hauptsächlich mit Amphibien und Reptilien, seit einiger Zeit arbeitet er nun auch im Citizen Science-Team des MfN und betreut hier unter anderem die City Nature Challenge.
Julia Rostin ist Biologin und angehende Stadtökologin. Am Museum für Naturkunde Berlin arbeitet sie im Citizen Science-Team und ist Teil des Wassernetzes Berlin sowie der City Nature Challenge. Besonders die Erforschung und der Schutz der urbanen Biodiversität liegen ihr am Herzen und stehen im Fokus ihrer Forschungsarbeit.