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Communities in Citizen Science - Ein kurzer Tagungsbericht zur Engaging Citizen Science Conference 2022

Foto: Marius Oesterheld

Am 25. und 26. April fand an der Universität von Aarhus, Dänemark, die erste große internationale Konferenz zum Thema Citizen Science in Präsenz seit Beginn der Covid-19-Pandemie im Frühjahr 2020 statt. Organisiert wurde die Engaging Citizen Science Conference 2022 (kurz CitSci2022) vom dänischen Citizen-Science-Netzwerk, mit Unterstützung der Universitäten in Aarhus und Aalborg und des Novo Nordisk Fonden. Als Vertreter des Projekts CS Track „Expanding our knowledge on Citizen Science through analytics and analysis“, das von der Europäischen Kommission im Rahmen des Förderprogramms Horizon 2020 finanziert wird, nahm ich mit einem Poster zu individuellen Lerneffekten im Kontext von Citizen Science an der Konferenz teil. 

Das Konferenzprogramm deckte diverse Facetten und Aspekte von Citizen Science ab – von Citizen-News-Plattformen, Biohacking und Citizen Science für Kinder und Jugendliche, über Themen wie Biodiversität, Energiewende, SDGs, KI, kulturelles Erbe oder Patient Science, bis hin zu Fragen der Evaluation, Qualitätssicherung und institutionellen Verankerung von Citizen Science im Wissenschaftsbetrieb. Durch das Thema der ersten Keynote und der Podiumsdiskussion am zweiten Konferenztag hatten die Organisator*innen allerdings dennoch einen deutlichen inhaltlichen Schwerpunkt gesetzt – und zwar auf das Konzept von ‘community’ (Gemeinschaft).

© Frits Ahlefeldt
© Frits Ahlefeldt

Heidi Ballard (UC Davis) rief in ihrem Eröffnungsvortrag zu Lerneffekten durch Community und Citizen Science dazu auf, die übliche Fokussierung auf das Individuum zu überwinden und stattdessen Gemeinschaften stärker in den Blick zu nehmen. Sie betonte das noch unausgeschöpfte Potential von sozialem Lernen und verteiltem Wissen und wies darauf hin, dass auch in der Wirkungsforschung die Gemeinschafts-Ebene bislang zu wenig Beachtung findet. Zu guter Letzt forderte sie, relevante Communities von Anfang an in den Forschungsprozess einzubinden und ihnen größeren Einfluss auf Fragestellung und Projektdesign zuzugestehen.

Erfolgreiche Beispiele für solche ko-kreativen Projekte, die Initiativen zivilgesellschaftlicher Akteursgruppen aufgreifen oder diese zumindest in allen Projektphasen und -bereichen gleichberechtigt einbinden, fanden sich in den Kurzvorträgen von Ida Theilade (Universität Kopenhagen), deren Team gemeinsam mit Dorfgemeinschaften vor Ort zu illegaler Rodung von Urwald in Kambodscha forscht, und Michael Koie Poulsen (NORDECO), der seit Jahren mit indigenen Communities in Grönland daran arbeitet, lokales Wissen in den Forschungsdiskurs zu Biodiversität und Artenschutz zu integrieren. Muki Haklay (University College London) berichtete von Projekten, in denen Community Scientists an der Entwicklung von technischer Infrastruktur (wie etwa Apps) beteiligt sind und darüber hinaus die Kontrolle über Speicherung und Verwendung der gesammelten Daten behalten. Auch Rikke Magnussen (Universität Aalborg) stellte ein CS-Projekt vor, das sich an Nachbarschaften wendet statt an Individuen und diesen die Möglichkeit gibt, Problemfelder zu identifizieren und Einfluss auf die Stadtplanung in ihrem Viertel zu nehmen.

Gerade ko-kreative oder Graswurzel-Projekte, in denen Forschung mit Aktivismus verschmilzt, haben aber natürlich auch politische Implikationen, die Dick Kasperowski (Universität Göteborg) in seiner abschließenden Keynote aufgriff und kritisch beleuchtete. Am Beispiel eines Rechtsstreits um Abholzungen in artenreichen schwedischen Wäldern, als dessen Grundlage Daten aus der Bürgerforschung verwendet wurden, wies er darauf hin, dass Citizen Science womöglich dazu beitragen könnte, Zweifel an der Autorität und Glaubwürdigkeit demokratisch legitimierter Institutionen (in diesem Fall Forstbehörden) aufzuwerfen.

Von den erwähnten Keynote- und Impulsvorträgen abgesehen dominierten interaktive Formate wie Workshop, Roundtable und Demo-Session das Programm. Diese Herangehensweise brachte angesichts der Teilnehmendenzahl zwar durchaus kommunikative Herausforderungen mit sich, ermöglichte aber auch einen lebhaften, ergebnisoffenen und vielstimmigen Austausch, und erwies sich so unter dem Strich als Glücksgriff. 

Wer nicht die Möglichkeit hatte, vor Ort oder per Livestream dabei zu sein, kann zumindest Teile des Programms online nachlesen und nachhören: Mitschnitte der Keynote-Vorträge, Präsentationen, sowie Graphic Recordings des Künstlers Frits Ahlefeldt werden in Kürze auf der Konferenz-Website zum Download bereitstehen.

Ein Tagungsband mit ausgewählten Konferenzbeiträgen wird digital auf dem Open-Access-Portal Proceedings of Science erscheinen.

Marius Oesterheld

Marius Oesterheld ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Wissenschaft im Dialog und erforscht im Rahmen des EU-Projekts CS Track die europäische Citizen-Science-Landschaft. Weitere Informationen zu CS Track finden Sie hier.