“Nun sind wir auf der Zielgeraden” - Interview mit der AG Weißbuch zum Start der Online-Konsultation der Citizen-Science-Strategie 2030
Am 13. August startete die offene Online-Konsultation zum Weißbuch Citizen Science - einem Strategiepapier mit Handlungsempfehlungen für die Weiterentwicklung von Citizen Science in Deutschland. Die Grundlage dafür wurde seit Mai 2020 in einem partizipativen Prozess von mehr als 120 Teilnehmenden in verschiedenen Veranstaltungen erarbeitet und von der AG Weißbuch koordiniert und begleitet. Um herauszufinden, was das Ziel der Konsultation ist, wer dabei mitmachen kann und wie es danach weitergeht, sprachen wir mit dem Lenkungskreis der AG Weißbuch.
Ihr arbeitet seit Mai 2020 am Weißbuch Citizen Science. Wo steht ihr gerade und was ist in den letzten Monaten alles passiert?
Matthias Premke-Kraus: Wir – und damit meine ich alle Mitwirkenden in der AG Weißbuch - haben uns mächtig ins Zeug gelegt. Seit dem Kick-off der AG Weißbuch im April 2020 haben wir nach dem ersten öffentlichen Dialogforum eine Umfrage geschaltet, die auf sehr große Resonanz stieß und uns viele wertvolle Erkenntnisse zum Status Quo der Citizen Science in Deutschland lieferte. Darauf aufbauend haben wir die Struktur und erste Handlungsoptionen für das Weißbuch entworfen. Die Texte wurden dann in einem weiteren Dialogforum und zwei Schreibwerkstätten zwischen Dezember 2020 bis Februar 2021 weiterentwickelt. Einen ersten Entwurf des Weißbuch-Textes haben wir im Rahmen des Forum Citizen Science von Bürger schaffen Wissen im Mai 2021 diskutiert. Nun sind wir mit der Online-Konsultation auf der Zielgeraden für den Feinschliff des Weißbuches. Wir sind gespannt auf die Reaktionen und Rückmeldungen zum bisherigen Papier! Ich finde, dass der Prozess bis dato - trotz der widrigen Umstände mit der Corona-Pandemie - sehr gut geklappt hat, auch wenn es die eine oder andere zeitliche Verzögerung durch die Umstellung auf virtuelle Formate gab. Ich freue mich auf die Zeit, wenn die Treffen mit der Citizen-Science-Community wieder in Präsenz stattfinden können, denn der persönliche Kontakt kam natürlich leider durch das virtuelle Format zu kurz.
Welche Impulse nehmt ihr aus der von Matthias angesprochenen Diskussion des ersten Entwurfs, die im Rahmen des Forum Citizen Science stattfand, mit und wie bindet ihr diese in die weitere Entwicklung des Weißbuchs ein?
Thora Hermann: Das Interesse der Teilnehmenden auf dem Forum Citizen Science 2021 an den Handlungsempfehlungen des Weißbuchs war enorm groß. Es war wunderbar, so viel Zuspruch für die Citizen-Science-Strategie 2030 zu erfahren und so viele wertvolle Ideen und Anregungen zu erhalten. Jeden Kommentar, jede Idee, jede Anregung haben wir sehr ernst genommen und in den Gesamttext der Strategie eingebaut und somit die Handlungsempfehlungen noch weiter geschärft. Diesen partizipativen Prozess wollen wir jetzt auch mit der öffentlichen Online-Konsultation fortsetzen. Ich finde es schön, dass durch die öffentliche Online-Konsultation die einzelnen Aspekte der Citizen-Science-Strategie 2030 für Deutschland noch einmal weiterentwickelt werden. Aber vor allem ist mir wichtig, dass das Weißbuch partizipativ in einem Bottom-Up-Prozess erarbeitet wird und jede Stimme gehört wird. Eine ähnliche Konsultation hatten wir ja auch für das Grünbuch 2016 durchgeführt, wodurch damals ca. 1000 Kommentare eingeholt und verarbeitet wurden. Ich denke dieses Mal werden es sicher noch mehr werden, da das Weißbuch noch umfangreicher ist. Ich bin schon sehr gespannt auf die Reaktionen!
Was ist das Ziel dieser Konsultation, was wünscht Ihr Euch für die weitere Arbeit am Weißbuch?
Christin Liedtke: Das Ziel ist es, durch diese Vorab-Online-Veröffentlichung der Handlungsempfehlungen weitere Aktionsgruppen für die Strategie zu mobilisieren. Wir haben mit mehr als 120 Akteur*innen in unterschiedlicher Intensität an dem jetzigen Stand gearbeitet. Und das Ergebnis würden wir gerne mit weiteren Akteur*innen aus der Community, aber auch anderen Interessierten aus Zivilgesellschaft, Politik und Wissenschaft in der Online-Konsultation reflektieren. Das Wissen der Vielen ist nicht nur für die Umsetzung von Citizen-Science-Projekten elementar, sondern auch beim gemeinsamen Gestalten der zukünftigen Citizen-Science-Strategie 2030. Für die weitere Arbeit am Weißbuch wäre es genial, weiterhin so einen aktiven Austausch zu erfahren. Wir wünschen uns durch die Online-Konsultation natürlich auch, dass das Weißbuch dadurch auch eine höhere Aufmerksamkeit erlangt. Wir möchten Citizen Science stärker in den öffentlichen Diskurs bringen und somit ggf. auch Menschen erreichen, die sonst keine Idee von Bürgerwissenschaften hatten.
Wer darf an der Online-Konsultation teilnehmen und wie genau kann ich als Interessierte*r mitmachen?
Wiebke Brink: Ob Teilnehmende oder Koordinierende aus Citizen-Science-Projekten, Multiplikator*innen aus Netzwerken, Transferstellen an Universitäten, Wissenschaftsläden oder Vereinen, Vertreter*innen aus Politik oder von Fördergeber*innen - wir laden alle Interessierten ein, ab heute an der Online-Konsultation teilzunehmen! Dabei freuen wir uns über Ergänzungen, kritische Reflektion und konstruktive Hinweise, aber natürlich auch gerne über Bestätigung der formulierten Sachverhalte und der daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen. In den nächsten Wochen haben Interessierte mehrere Möglichkeiten, sich im Rahmen der Online-Konsultation aktiv einzubringen: Es können einerseits die Texte des Weißbuchs kommentiert und diskutiert werden und andererseits die Handlungsempfehlungen in ihrer Relevanz bewertet werden. Darüber hinaus gibt es Raum, um neue Ideen und Themen einzubringen. Eine Registrierung als Nutzer*in mit Klarnamen ist möglich, aber man kann sich auch anonym beteiligen.
Zusätzlich laden wir Institutionen und Organisationen ein, ein Positionspapier zum Weißbuch für eine Citizen-Science-Strategie 2030 für Deutschland einzureichen - auch das haben wir bereits beim Grünbuch Citizen Science angeboten. Die Positionspapiere bieten die Chance, die organisationsbezogenen Aktivitäten und Ziele in Bezug auf Citizen Science und die damit verbundenen Bedarfe und Wünsche darzustellen und in den Strategieprozess einzubringen. Die Teilnahme an der Online-Konsultation als auch die Einreichung von Positionspapieren ist bis zum 30. September möglich.
Welche Schritte stehen nach der öffentlichen Konsultation an, wie geht ihr mit den Kommentaren und Ergebnissen um?
Susanne Hecker: Wir werden alle Kommentare prüfen und zunächst einmal kategorisieren. Aus der Konsultation des Grünbuchs wissen wir, dass die Bandbreite der Kommentare sehr groß ist. Manche beziehen sich auf Sprachliches, andere auf konkrete Inhalte und wieder andere werfen Themen auf, die möglicherweise noch nicht thematisiert worden sind. Anhand der Kategorisierung können wir entscheiden, ob es eine Diskussion und/oder Rücksprache braucht mit den Autor*innen der Kapitel oder sogar in der gesamten AG Weißbuch. Die Konsultation ist eine weitere Möglichkeit für alle Interessierten, sich in den Prozess einzubringen. Jedes Feedback, jeder Kommentar zählt und macht das Weißbuch noch mehr zu einem gemeinsamen Produkt.
Wagen wir noch einen weiteren Schritt nach vorne: An wen richtet sich das finale Weißbuch Citizen Science? Für wen ist es interessant?
Silke Voigt-Heucke: Ein strategisches Papier wie das Weißbuch Citizen-Science-Strategie 2030 richtet sich natürlich in erster Linie an Personen, die Möglichkeiten zur Gestaltung innerhalb ihres Betätigungsfeldes haben, die Themen auf die Agenda bringen können, Prozesse und Weiterentwicklungen anstoßen können. Das kann aber im Kleinen wie im Großen möglich sein: Die Handlungsempfehlungen im Weißbuch sind nach Zielgruppen differenziert, so dass zum Beispiel sowohl Fördergeber*innen als auch Projektkoordinierende sehen, was sie zur Umsetzung der Strategie und damit zur Weiterentwicklung von Citizen Science beitragen können. Und wir wünschen uns natürlich, dass die finale Citizen-Science-Strategie dann engagiert umgesetzt und von möglichst vielen getragen wird.
Was ist Ihre Vision für 2030 und was soll die Citizen-Science-Strategie erreichen?
Aletta Bonn: Ziel der Citizen-Science-Strategie 2030 für Deutschland ist, nachhaltig Möglichkeiten für echte Partizipation in Wissenschaft zu schaffen und in allen Organisationen zu verankern und zu unterstützen. Das betrifft Citizen Science u.a. in Universitäten und weiteren Forschungsorganisationen, Verbänden und Vereinen, Museen, Bibliotheken und weiteren Bildungseinrichtungen, aber auch Behörden und natürlich auch in nicht formell organisierten Initiativen. Citizen Science als selbstverständlicher, integraler Bestandteil von Wissenschaft und Gesellschaft heißt, Innovation durch Partizipation zu ermöglichen - dies ist unsere Vision für 2030. So können gesellschaftliches Interesse, Bedürfnisse und Kompetenzen aufgenommen und gemeinsam Wissen geschaffen werden. Diesen transformativen Mehrwert von Partizipation wollen wir mit der gemeinsam erarbeiteten Citizen-Science-Strategie 2030 stärken und ausbauen.
Jetzt die Citizen-Science-Strategie 2030 bis zum 30. September 2021 mitgestalten: