Wie wirkt eigentlich Citizen Science? - Outcomes für Citizen Scientists von Biodiversitätsprojekten
Viele Citizen-Science-Projekte setzten sich explizit oder implizit Ziele dazu, was sie bei den Teilnehmenden erreichen wollen. Sollen die Teilnehmenden etwas über das Thema des Projekts lernen? Sollen sie neue Fähigkeiten erlernen? Sollen sie einen Einblick ins wissenschaftliche Arbeiten bekommen?
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In unserem ersten Blogbeitrag haben wir zur Orientierung zu Zielsetzungen in Bezug auf die Wirkung von Citizen-Science-Projekten das Logikmodell (Shirk et al. 2012) vorgestellt. Zudem haben wir beschrieben, wie das Framework von Phillips et al. 2018 helfen kann, die Wirkung auf die Teilnehmenden noch genauer in den Blick zu nehmen.
Genau dieses Framework nutzen auch Maria Peter, Tim Diekötter und Kerstin Kremer zur Orientierung in ihrer systematischen Reviewstudie “Participant Outcomes of Biodiversity Citizen Science Projects: A Systematic Literature Review” (2019). Die Autor*innen gingen der Frage nach, welche empirischen Befunde über die individuellen Outcomes für Teilnehmende in Biodiversitäts-Citizen-Science-Projekten es bislang gibt. Wir werden die Ergebnisse der Studie hier kurz zusammenfassen, da sie unserer Meinung nach einen gut strukturierten Einblick in den aktuellen Forschungsstand gibt. Mit ihrem Fokus auf Citizen-Science-Projekte, die auf feld-basierten Aktivitäten der Teilnehmenden beruhen, bildet sie zudem eine gute Ergänzung zu unserem Blogpost über Online Citizen Science und Lernen.
Das Vorgehen
Die Autor*innen nutzten die Datenbanken Web of Science, Scopus und ERIC sowie das Journal Citizen Science - Theory & Practice und nutzen Suchbegriffe wie “citizen science”, “community-based monitoring” und “public participation in scientific research”, um auch Studien zu erfassen, die nicht explizit den Begriff Citizen Science verwenden. Zusätzlich verwendeten sie Suchbegriffe wie “outcome”, “learning” und “impact”, um so relevante Paper zu ihrer Forschungsfrage zu finden. Sie grenzten das gefundene Material (608 relevante Artikel) anhand folgender Exklusions- und Inklusionskriterien weiter ein:
Die Publikation
- ist in englischer Sprache verfasst.
- wurde peer-reviewed.
- basiert auf der Analyse empirischer Daten.
- untersucht Wirkungen auf Teilnehmende im Sinne von Shirk et al. (2012) und Phillips et al. (2018).
Die Publikation bezieht sich weiterhin thematisch auf Citizen-Science-Projekte, die
- nicht komplett online stattfinden.
- Freiwillige im Rahmen des Biodiversitäts-Monitoring, der Identifizierung von biologischer Vielfalt oder dem Sammeln von Biodiversitätsdaten einbinden.
- nicht-professionelle Freiwillige in authentische wissenschaftliche Untersuchungen einbinden und diese für ihre Beiträge zur Forschung nicht bezahlen.
Diese Kriterien ergaben 14 relevante Publikationen, die dann weiter analysiert wurden.
Die Ergebnisse
Bei den 14 Veröffentlichungen fiel auf, dass sie in 10 verschiedenen Journals publiziert wurden, was es Interessierten aus der Citizen-Science-Community nicht gerade leicht macht den Entwicklungen der Forschung zu folgen. Bei neun handelte sich um Analysen einzelner Citizen-Science-Projekte, die anderen fünf Artikel bezogen sich auf 2 bis 18 unterschiedliche Projekte. Auch hier finden wir also noch vermehrt Studien, die sich lediglich auf ein Projekt beziehen. Zudem zeigte sich, dass die Studien überwiegend Citizen-Science-Projekte aus Nordamerika analysierten (10), nur zwei bezogen sich auf Projekte in Europa und jeweils eine auf Projekte aus Afrika und Australien. Die meisten untersuchten Projekte fokussierten auf Tiere, nur wenige auf Pflanzen.
Die Autor*innen merkten an, dass aufgrund der unterschiedlichen Methoden, die in den Studien verwendet wurden, keine Meta-Analyse der Daten möglich war. So wurden in zehn Studien Fragebögen eingesetzt, jeweils vier nutzten Interviews und Fokusgruppen, zwei analysierten Daten oder andere Artefakte aus dem Projekt und jeweils eine nutzte Beobachtungen bzw. die Reflektion der Projektverantwortlichen. Meist wurden dabei Effekte nur von den Teilnehmenden selbst berichtet (8), in einer Studie wurden Effekte von Projektverantwortlichen eingeschätzt, eine Studie nutzte andere wissenschaftliche Erhebungsverfahren und vier Studien eine Kombination aus diesen und der Selbsteinschätzung durch die Teilnehmenden.
Welche Effekte die einzelnen Studien für die verschiedenen Outcome-Aspekte gefunden haben, ist in der folgenden Tabelle dargestellt. So sieht man auch, welche Aspekte besonders häufig untersucht wurden (z.B. Wissen und Verhalten) und welche eher selten (z.B. Interesse).
Übersicht der Studienergebnisse zu Outcome-Aspekten durch die Teilnahme an Citizen-Science-Projekten zur Biodiversitätsforschung (adaptiert nach der Reviewstudie von Peter et al, 2019; Design: Tabea Martin).
Wie aus der Tabelle ersichtlich wird, konnten Peter et al. (2019) in ihrer Reviewstudien viele Studien finden, die positive Effekte auf die Teilnehmenden berichten. Aber auch die Studien mit negativen oder gemischten Resultaten bieten interessante Anknüpfungspunkt für Projektverantwortliche und Forschende, die die Wirkung von Citizen Science untersuchen. Hier gilt es zu schauen, was Gründe dafür sein könnten oder welche Veränderungen in Projektdesign und -durchführung vielleicht zur positiven Ergebnissen führen könnten. Zudem bieten die Ergebnisse, wie sie in der Reviewstudie aufgebaut sind, eine gute Orientierung: So kann sich dann weitergehend über die in den jeweiligen Studien verwendeten Methoden und Instrumente informiert werden und geschaut werden, welche vielleicht zur Untersuchung des eigenen Citizen-Science-Projekts geeignet wären .
Weitere Reviewstudien und aktuelle Entwicklungen
In ihrer Reviewstudie weisen die Autor*innen auf zwei thematisch angrenzende Reviews zur Wirkung von Citizen Science hin:
- Stepenuck & Green (2015): Hier wurde in Bezug auf die Citizen Science-Projektthemen ein breiterer Fokus gewählt, nämlich Umweltwissenschaften, und es wurden Veröffentlichungen bis 2012 analysiert.
- Groulx et al. (2017): Analysieren die Veröffentlichungen zur Citizen Science mit einem Schwerpunkt auf Klimawandel.
Maria Peter, Tim Diekötter, Tim Höffler und Kerstin Kremer veröffentlichten im März zudem eine internationale, projektübergreifende Studie zu Outcomes von Biodiversitäts-Citizen-Science-Projekten für die Teilnehmenden (2021). Die 1,160 erwachsenen Teilnehmenden aus 63 Projekten aus Europa, Australien und Neuseeland berichteten positive Effekte in allen Outcome-Aspekten nach Phillips et al. (2018). In Bezug auf Kinder und jugendliche Teilnehmende sei an dieser Stelle auf die Arbeiten vom Center for Citizen and Community Science der UC Davis hingewiesen (z.B. Harris & Ballard 2021; Ballard, Dixon & Harris 2017, sowie ihre praxisorientierten research briefs & case studies).
Zudem ist auch die Evaluation der National Park Bioblitzes (Hartry et al. 2017) eine interessante Ressource, da sie die Perspektive verschiedener Stakeholder*innen berücksichtigt und auch Einblick in die Methodik der Evaluation gibt. Für die Praxis sei auch nochmal auf die Ressourcen verwiesen, die wir in unserem ersten Blogpost unserer Reihe zur Wirkungsforschung erwähnt haben:
- den User’s Guide for Evaluating Learning Outcomes from Citizen Science vom Cornell Lab of Ornithology und
- den Leitfaden zur Evaluation von Projekten im Bundesprogramm Biologische Vielfalt vom Bundesamt für Naturschutz.
Außerdem gibt es vom Cornell Lab of Ornithology aus dem DEVISE (Developing, Validating, and Implementing Situated Evaluation Instruments) Projekt eine Sammlung an getesteten Skalen sowie Informationen zu ihrem Einsatz und ihrer Auswertung.
Literatur:
Ballard, H. L., Dixon, C. G., und Harris, E. M. (2017). Youth-focused citizen science: Examining the role of environmental science learning and agency for conservation. Biological Conservation, 208, 65-75. https://doi.org/10.1016/j.biocon.2016.05.024
Bela, G., Peltola, T., Young, J.C., Balázs, B., Arpin, I., Pataki, G., Hauck, J., Kelemen, E., Kopperoinen, L., van Herzele, A., et al. (2016). Learning and the transformative potential of citizen science. Conservation Biology, 30(5), 990–999. http://dx.doi.org/10.1111/cobi.12762
Branchini, S., Meschini, M., Covi, C., Piccinetti, C., Zaccanti, F., und Goffredo, S. (2015). Participating in a Citizen Science Monitoring Program: Implications for Environmental Education. PLOS ONE, 10(7). http://dx.doi.org/10.1371/journal.pone.0131812
Chase, S.K., und Levine, A. (2017). Citizen Science: Exploring the Potential of Natural Resource Monitoring Programs toInfluence Environmental Attitudes and Behaviors. Conservation Letters, 11(2). http://dx.doi.org/10.1111/conl.12382
Cosquer, A., Raymond, R., und Prevot-Julliard, A.-C. (2012). Observations of Everyday Biodiversity: A New Perspectivefor Conservation? Ecology and Society, 17(4): 2. http://dx.doi.org/10.5751/ES-04955-170402
Druschke, C.G., und Seltzer, C.E. (2012). Failures of Engagement: Lessons Learned from a Citizen Science Pilot Study. Applied Environmental Education and Communication, 11(3-4), 178–188. http://dx.doi.org/10.1080/1533015X.2012.777224
Fernandez-Gimenez, M.E., Ballard, H.L., und Sturtevant, V.E. (2008). Adaptive Management and Social Learning inCollaborative and Community-Based Monitoring: A Study of Five Community-Based Forestry Organizationsin the western USA. Ecology and Society,13(2): 4. http://dx.doi.org/10.5751/ES-02400-130204
Flinkerbusch, E., und Nowack, C. (2017): Leitfaden zur Evaluation von Projekten im Bundesprogramm Biologische Vielfalt. Bundesamt für Naturschutz. https://biologischevielfalt.bfn.de/fileadmin/BfN/service/Dokumente/Evaluationsleitfaden_LNV_2017_PH5_Final__BITV_.pdf
Groulx, M., Lemieux, C. J., Lewis, J. L., und Brown, S. (2017). Understanding Consumer Behaviour and Adaptation Planning Responses to Climate-Driven Environmental Change in Canada’s Parks and Protected Areas: A Climate Futurescapes Approach. Journal of Environmental Planning and Management 60 (6): 1016–35. https://doi.org/10.1080/09640568.2016.1192024
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