Insekten und ihre Inschriften
In dem Projekt Bees & Bytes helfen Citizen Scientists die historische Insektensammlung des Museums für Naturkunde Berlin zu digitalisieren. Volker Bormann hat bereits über 4000 der handgeschriebenen Etiketten abgetippt und so wertvolle wissenschaftliche Daten in die Gegenwart geholt. Wir haben mit ihm über sein Engagement und den Weg zum Naturkundemuseum gesprochen.
Worum genau geht es in dem Projekt Bees & Bytes und wie forschen Sie mit?
In den Sammlungen des Museums befinden sich etwa 30 Millionen Objekte, davon nehmen die Hautflügler, eine Ordnung der Insekten, etwa 2,3 Millionen Tiere ein – eine Wahnsinnsmenge! Die Entomologen haben die Tiere vor über 100 Jahren zusammengetragen und präpariert. Die Sammlungskästen sind natürlich in die Jahre gekommen, fleckig geworden, manche Insektennadeln sind korrodiert. Nun soll diese Sammlung besser zugänglich gemacht und digitalisiert werden. Dafür nutzt das Museum eine Digitalisierungsstraße. Dort werden die Insekten aus ihren alten Kästen entnommen, fotografiert, mit einem QR-Code versehen und in eine Datenbank eingespeist. Die Beschriftungen mit all den Daten über die Tiere liegen meistens jedoch handschriftlich vor und können nicht von der Maschine entziffert werden.
Ich versuche dieses Problem zu lösen, indem ich das abfotografierte Etikett transkribiere. Gleichzeitig führe ich eine kleine Recherche durch, um die Korrektheit der Informationen abzusichern. Ich bin erst dann zufrieden, wenn ich die richtige Spezies von Megachiles – also Solitärbienen – im Internet gefunden habe. Das ist gar nicht so einfach, denn die lateinischen Schreibweisen können sich unterscheiden. Insgesamt habe ich so in 41 Tagen genau 4103 Etiketten transkribiert. Ich finde es sehr wichtig, diese Daten in die Gegenwart zu bringen. Wenn wir uns heute in der deutschen Landschaft umschauen, sehen wir viele Monokulturen und ein großes Insektensterben durch Herbizide, wie Glyphosat. Das ist möglicherweise eine fatale Entwicklung. Ich denke, dass der Bestand des Naturkundemuseums dazu beitragen kann, in diese Prozesse einzugreifen und Fehlentwicklungen hoffentlich noch zu stoppen.
Haben Sie durch Ihr Engagement etwas Neues dazugelernt?
Oh ja, viele Sachen! Ich habe schnell angefangen, mich auch mit den Geschichten und Biografien der Entomologen zu beschäftigen. Zum Beispiel stammen sehr viele Bestände der Solitärbienen aus Brasilien. Der verantwortliche Wissenschaftler kam ursprünglich aus Oberitalien. Ihn hatte das Leben offensichtlich nach Brasilien verschlagen, wo er mit einer extremen Akribie riesige Mengen an Bienen gesammelt und wunderschön beschriftet hat. Den Objekten sieht man ihre 100 Jahre gar nicht an, sie sehen aus wie gestern gefangen. Ebenfalls interessant war herauszufinden, dass sehr viele Tiere im Jahr 1940 nochmal bestimmt worden waren. Ich habe mich gefragt, welche Leute sich in dieser Zeit da hingesetzt und Bienen bestimmt haben.
Mit welchen Herausforderungen ringen Sie in Ihrem Forschungsalltag am meisten?
Am meisten habe ich mit der Unlesbarkeit von zerstörten Etiketten zu kämpfen, manche Label sind nur in Fragmenten vorhanden. Für eine tiefer gehende Recherche nutze ich dann Listen der naturkundlichen Sammlung in München, die auch Informationen über Solitärbienen enthalten. Oder ich vergleiche die Daten mit 100 Jahre alten Sammlungsbüchern, die bereits digitalisiert wurden. Manchmal ist es aber gar nicht lösbar. Dann muss ich den Datensatz mit einem Fragezeichen versehen und hoffen, dass Experten oder Kustoden der Museen es im Nachhinein herausfinden.
Wie kam es zu der engen Zusammenarbeit mit dem Museum?
Mein Interesse für die Biologie begann schon in der Schulzeit. Später habe ich dann Landwirtschaft studiert – direkt in einem Nebengebäude des Naturkundemuseums. Als meine Berufstätigkeit vor gut drei Jahren zu Ende ging, bin ich im Rahmen von Freiwilligenarbeit nach Costa Rica und Guatemala gereist. Dort habe ich unter anderem zwei Monate in den Nebelwäldern gelebt und hatte Gelegenheit diese ganz besondere Landschaft kennenzulernen. Mit meinem ganzen Wissen landete ich dann wieder hier. Im letzten Jahr nahm ich an einem Workshop im Naturkundemuseum teil. Dort ging es um die Sammlungsentwicklung und die Entdeckung der Biodiversität, unter dem Aspekt, wie man die Ausstellung transparenter machen könnte. Ich habe sofort mein Interesse bekundet und bin seitdem an zwei Tagen pro Woche ehrenamtlich dort tätig. Das ist eine schöne Möglichkeit, das Museum in dieser Richtung zu unterstützen.
Ihr wollt auch bei Bees & Bytes mitforschen? Hier findet ihr mehr Infos zu dem Projekt!