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Die Citizen-Science-Erfolgsformel: Ehrlichkeit, Offenheit und Transparenz im Umgang miteinander – und den Spaß dabei nicht vergessen! -Eindrücke vom Forum Citizen Science 2019

Das Panel „Bürgerforschung auf Augenhöhe: was Hochschulen können und dafür brauchen“

Eigentlich war das Panel „Bürgerforschung auf Augenhöhe: was Hochschulen können und dafür brauchen“ schon ausgebucht, doch als Gastbloggerin konnte ich noch einen Platz ergattern. Und so suche ich mir am Freitagmorgen einen Stuhl in der ersten Reihe, ausgestattet mit Schreibblock und Kuli. Anderthalb Stunden später raucht mein Kopf und der Block ist bis auf die letzte Pappseite beschrieben. 

Citizen Science als Third-Mission-Aktivität

Auf dem Podium sitzen Prof. Dr. Martin Hamer (Hochschule Bonn-Rhein-Sieg), Dr. Daniel Ludwig (Uni Vechta), Carsten Schröder (FH Münster) und Norbert Steinhaus (WILA Bonn). Durch die Diskussion führt Brigitte Peter (WILA Bonn). In der Eröffnungsrunde war spannend zu sehen, was die einzelnen Institutionen bereits im Bereich Citizen Science machen. So erläuterte Hamer, dass  sich die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg für die Bürger im sogenannten „Campus to World“ öffne und dabei auch die Fachbereiche mit einbeziehe. Thematisch gehe es v.a. um Nachhaltigkeit im urbanen Umfeld. So sind die Bürger*innen z.B. aufgefordert, Proben aus ihren Gärten abzugeben, anhand derer erforscht werden soll, wie die Biodiversität erhöht werden könne. Diese Aktivitäten seien auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich die Hochschulen in einem kompetitiven Umfeld bewegen und Third-Mission-Aktivitäten, also ergänzendes Engagement neben Forschung und Lehre, eine Möglichkeit zur Profilierung bieten.  

Die Vorstellung von Carsten Schröder von der FH Münster schließt daran an: „Wir haben immer schon ganz viel Third Mission gemacht – wir haben es nur nicht so genannt!“ Jetzt gehe es vor allem darum, diese Aktivitäten, die auch Teil der Transferstrategie seien, unter dem Claim „science to business to society“ auch sichtbar zu machen. Im Projekt „münster.land.leben“ etwa, das die Gesundheitsversorgung im Münsterland erforsche, partizipieren bereits viele Bürger*innen und Einrichtungen. Am Forschungsprozess selbst seien sie allerdings (noch?) nicht beteiligt.

Wie kann gemeinsames Forschen gelingen?

Diese Frage soll Daniel Ludwig beantworten. Er hat 2012 den Wissenschaftsladen der Universität Vechta mit aufgebaut hat.  Dort werden aus Bürgeranliegen gemeinsame Forschungsarbeiten entwickelt. Aber: „Eine Anlaufstelle wird nicht automatisch angelaufen. Den Dialog muss man organisieren.“ So biete man bspw. ein Seminar „Über den Tellerrand“ an, in dem Studierende interdisziplinär und partizipativ mit Bürger*innen der Region forschen. In dem sehr erfolgreichen Projekt werden Fragen der organisierten Zivilgesellschaft in „social hackathons“ gemeinsam bearbeitet. Alle Einrichtungen, die bereits teilgenommen haben, kommen regelmäßig mit neuen Fragestellungen. 

Wie breit soll und kann Citizen Science an Hochschulen verankert sein?

Die letzte Frage im Eröffnungsreigen geht an Norbert Steinhaus vom WILA Bonn: „Was können Hochschulen gut, wo benötigen sie Unterstützung?“ Die große Stärke der Hochschulen, so Steinhaus, sei die „Ressource Studierende“. Deutliche Defizite sieht er im Bereich Engagement und Kommunikation: „Wir arbeiten mit den Innovatoren der Hochschulen“. Den Citizen-Science-Ansatz in der gesamten Hochschule zu verbreiten und zu kommunizieren, sei schwierig. Häufig fehle es den Dozent*innen an nötigen Skills. Kooperation mit Externen, z.B. ein entsprechendes Schulungsangebot, könne helfen, diese aufzubauen. „Ich kriege gerade Schnappatmung!“, meldet sich Carsten Schröder zu Wort. „Forschung, Transfer, Gründungen seien die Aufgaben seiner Hochschule; Service Learning und Citizen Science sollten spielerischer betrieben werden. „Man wird nie eine ganze Hochschule dazu kriegen, Citizen Science zu betreiben.“

Aber wie könne denn die Beteiligung unter Studierenden und Lehrenden erhöht werden, fragt Peter. Strukturen und Anreize seitens der Hochschulen können helfen, so Hamer. „Sie müssen als Hochschule den Kanon der Anreizsysteme so gestalten, dass diese dann auch anerkannt werden.“, so Schröder als Vertreter einer Hochschulleitung.  Es gehe darum, die Einbindung der Bürger*innen sichtbar zu machen und auch im Rahmen der Mittelverteilung zu honorieren. Steinhaus geht noch einen Schritt weiter: „Hochschulen haben Spielraum und nutzen ihn nicht aus!“

Engagement ist wichtig – auch für die Zukunft der Hochschule

Andere Teilnehmende folgen, so wie ich, gespannt der Diskussion und können im zweiten Teil nun Fragen stellen. „Transfer funktioniert, wenn er ein Preisschild hat“, kommentiert eine Teilnehmerin der FSU Jena. „Welche Anreizsysteme kann eine Hochschule denn schaffen?“, so ihre Frage an Schröder. Schröder räumt ein, dass es sich bei der Honorierung für Transferaktivitäten um einen „Minitopf“ im Vergleich zur Anerkennung von Publikationsleistungen handele. Aber: „Die Generation Fridays For Future kommt an die Hochschulen, und die wollen Impact. Die werden danach die Hochschule aussuchen“. Transfer werde sich allein schon aus diesem Grund von einem Neben- zu einem Hauptthema entwickeln. 

Aus der WWU Münster kommt die Frage, wie die Stellen für Dialog und Bürgerbeteiligungen organisiert seien – und welche Formen der Bürgerbeteiligung es gebe. An der Universität Vechta gebe es eine halbe Stelle für die gesamte Hochschule, die vor allem die Kommunikation abdeckt. „Das funktioniert nur, wenn man sich Drittmittelprojekte drum herum organisiert.“ Die Transferstelle der Hochschule Bonn Rhein-Sieg ist dagegen mit drei Stellen ausgestattet. Auch dort gehe es v.a. um die Kommunikation, intern zwischen den Fachbereichen und nach außen, so Hamer.

Isabel Strauß aus dem Plenum berichtet von der HHU Düsseldorf. Die Universität Düsseldorf hat sich als Ziel gesetzt, Bürgeruniversität zu werden. und bereits erste Schritte in diese Richtung gemacht. Gefördert werden sollen innovative Formate der Wissenskommunikation, Service Learning und Forschung mit Bürgerbeteiligung, so Strauß. Dafür hat das Rektorat einen Fördertopf mit 140.000 Euro bereitgestellt. Die Stabsstelle Bürgeruniversität verfügt über zwei volle Stellen und berate auch, z.B. hinsichtlich rechtlicher Fallstricke. Citizen-Science-Ansätze als Indikator bei der Leistungsorientierten Mittelvergabe zu berücksichtigen, sei schwierig: „Man muss das auch intern vermitteln können. Da lernen wir noch.“     

Vertrauen, persönliches Engagement, Transparenz - so gelingt Augenhöhe in der Zusammenarbeit

Wie kann man Augenhöhe in der Zusammenarbeit herstellen? Peter verweist auf das Modell von Citizen Science nach Art der Beteiligung: Kooperation (z.B. indem man die Rechenleistung des eigenen PC zur Verfügung stellt) – Kollaboration (das klassische Datensammeln) –  Koproduktion (Mitarbeit bei der Auswertung und Analyse) – Codesign (das Forschungsdesign wird gemeinsam entwickelt). Schröder kommentiert, der klassische Technologietransfer laufe über Multiplikatoren. „Warum soll man bei Citizen Science unbedingt mit Einzelpersonen zusammenarbeiten?“ Wenn man mit Stakeholdern arbeite, könne man direkt bei Stufe vier – dem Codesign – ansetzen. Hamer entgegnet, alle Stufen hätten ihre Berechtigung. Es hänge jeweils von der Forschungsfrage ab. Steinhaus fügt hinzu, wichtig sei es, mit den Betroffenen zu reden, das könne auch eine Nachbarschaftsgruppe sein. Um Augenhöhe herstellen zu können, sei Methodenkompetenz unverzichtbar. Nicht jede Beteiligungsmethode lasse sich in jedem Forschungsschritt anwenden: „Es braucht Zeit, damit Vertrauen geschaffen werden kann und die Partner sich kennenlernen“. Wichtig sei das persönliche Engagement sowohl der Bürger als auch der Forscher, damit der Kontakt nicht versickere, wenn das Projekt abgeschlossen sei.

Natürlich habe man unterschiedliche Kompetenzen, die alle ihre Berechtigung hätten, so eine Teilnehmerin der WWU Münster. Um Augenhöhe zu erreichen, sei es wichtig, dass alle Beteiligten ihre Erwartungen und Ziele klar kommunizieren. „Ehrlichkeit, Offenheit und Transparenz“ seien in der Kommunikation gefordert, z.B. müssten unterschiedliche Beteiligungsformen klar kommuniziert werden. Steinhaus unterstützt: Nicht fachliche Kompetenzen seien entscheidend, um Augenhöhe zu schaffen, sondern Soft Skills wie Empathie und Kommunikationsfähigkeit. „Meine Großmutter sagte immer, wir haben zwei Ohren und einen Mund. – Das bedeutet, dass wir mehr zuhören als reden sollen.“ Aus dem Plenum wird ergänzt, wichtig sei die Haltung, mit der wir auf die Bürger zugehen. Die Hochschulangehörigen seien Profis, die Bürger arbeiten ehrenamtlich – „aber trotzdem müssen wissenschaftliche Standards bei der Arbeit eingehalten werden“. Es müssten eben, so Ludwig, die Erwartungen im Vorfeld geklärt werden. Im klassischen Transfer gebe es auch Zielkonflikte, z.B. schnelle praktische Lösungen vs. hoher wissenschaftliche Standards. 

Und schon sind anderthalb Stunden vergangen, aber es bleibt noch Zeit für eine Blitzlichtrunde – jeder hat einen Wunsch frei. „Lasst uns Spaß dabei haben!“ so Schröder. Die Politik solle kluge Anreizsystem schaffen, so Hamer. „Gegen Spaß ist nichts einzuwenden“, findet auch Ludwig. Wichtig sei nur, dass die grundlegenden Bedingungen für Projekte stimmen. Steinhaus fordert „Zeit und Anerkennung für alle Beteiligten!“ 

Gastautorin: Monika Koop, Arbeitsstelle Forschungstransfer der WWU Münster

Gastautor*in(nen)

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