Direkt zum Inhalt
mit:forschen!

Die Plattform für Citizen-Science-Projekte aus Deutschland: Mitforschen, präsentieren, informieren!

AG Science of Citizen Science im Fokus: "Wir müssen untersuchen und zeigen können, warum das so ist."

Das ist das Credo von Vanessa van den Bogaert, die uns seit Neuestem bei Bürger schaffen Wissen unterstützt. Neben ihren Aufgaben am Museum für Naturkunde Berlin hat sie die Arbeitsgruppe Science of Citizen Science ins Leben gerufen. Im Interview erzählt sie uns von ihrem persönlichen Blickwinkel auf Citizen Science und was sie mit der neuen AG erreichen möchte.

Vanessa, du hast im Juni bei Bürger schaffen Wissen angefangen. Ist das dein erster Berührungspunkt mit Citizen Science? 

Nein, ich beschäftige mich tatsächlich schon länger mit Bürgerforschung. Dass ich zu Citizen Science gekommen bin, ist aber eine Art biografischer Zufall – eigentlich komme ich aus der empirischen Bildungsforschung. Bei meiner neuen Stelle hier bei Bürger schaffen Wissen betreue und berate ich die einzelnen Projekte und bin auch für die Qualitätssicherung zuständig. Gleichzeitig arbeite ich schon seit 2014 an der Ruhr-Universität in Bochum am Lehrstuhl für Lehr-/Lernforschung – also 50/50. Es fing an als ich vor einigen Jahren das Citizen-Science-Projekt Plastikpiraten auf einer Tagung zu Schülerlaboren kennengelernt habe und ich dachte: "Hey, Citizen Science habe ich nie gehört. Was ist denn das für ein cooles Projekt?" Es ist wirklich toll, dass Schülerinnen und Schüler bei den Plastikpiraten mitmachen und so der Wissenschaft helfen Erkenntnisse zu sammeln und neues Wissen zu generieren. Danach habe ich mir das Plastikpiraten-Projekt als Forschungsgegenstand ausgesucht.

Warum findest du Citizen Science wichtig?

Da habe ich vermutlich eine ganz andere Brille auf als viele andere. Ich initiiere ja selber keine Projekte, sondern beobachte und hinterfrage sie. Ich finde den partizipativen Charakter des Citizen-Science-Ansatzes total spannend. Es ist ein ganz neues, stark wachsendes Feld, in dem aber noch ganz viele Fragen stecken, eigentlich mehr Fragen als Antworten. Seitdem ich die Projekte und die Community kenne, sehe ich, wie viel Engagement, Begeisterung und Herzblut da drinsteckt. Ich bin dann aber immer ein bisschen vorsichtig und mein wissenschaftlich reflexives Denken springt an: "Okay, das sieht alles zunächst sehr gut aus, aber wir müssen untersuchen und zeigen können, warum das so ist.“

Damit kommen wir zu der von dir gegründeten Arbeitsgruppe Science of Citizen Science. Worum soll sich die Arbeit in der AG drehen?

In der Forschung über Citizen Science gibt es viele spannende Fragen, vor allem in den Bereichen Qualität und Kommunikation. Der Fokus der Arbeitsgruppe Science of Citizen Science ist aber auf Personenvariablen ausgerichtet: Warum machen Bürgerinnen und Bürger Citizen Science? Welchen Nutzen haben sie davon? Und welche Ziele haben Projekte in dieser Hinsicht? Die erste Aufgabe wird zunächst sein zu analysieren, welche dieser Variablen die internationale Forschung bis jetzt schon untersucht hat. Dafür erarbeiten wir gerade ein systematisches Literatur-Review - und das schon seit fast einem Jahr. Die Review-Expert*innen sagen, das sei schnell, aber ich finde es langsam (lacht). Danach wollen wir wissen, wie wir diese Variablen messen können. Mit welchen Designs kann man kausale Schlüsse ziehen? Um später zum Beispiel sagen zu können: “Ja, mein Projekt ist dafür verantwortlich, dass…” Wir wollen mit Grundlagenforschung Licht ins Dunkel bringen, denn wir fangen alle gerade erst an die persönliche Ebene von Citizen Science zu untersuchen.

Wie bist du auf die Idee gekommen die AG zu gründen und warum gerade jetzt?

Mir ist aufgefallen, wie wenig Forschung es dazu gibt, was eigentlich mit den Menschen, die in Citizen-Science-Projekten mitmachen, passiert. Das habe ich bei meiner Begleitforschung zu den Plastikpiraten bemerkt, es ist mir aber auch in der restlichen Literatur zu Citizen Science aufgefallen. Man weiß langsam, wer die Citizen Scientists sind. Aber verändert die Teilnahme etwas an ihren Einstellungen? An ihrem Verständnis von Wissenschaft? Vielleicht sogar an ihrem Verhalten und Interesse? Ich dachte eigentlich, da müsste es sehr viel zu geben, denn mit solchen Fragen beschäftigen sich Psychologen und Bildungsforscher tagtäglich. Gleichzeitig kamen sehr viele Fragen dazu aus der Community, auch beim Forum Citizen Science. Es wurden immer mehr Fragen und ich wollte eine AG gründen, die sich tatsächlich an den Bedürfnissen der Community orientiert. Ich bin nicht die Einzige, die herausfinden will, wie das alles funktioniert. Es gibt ganz viele, die das wissen wollen.

Was plant ihr denn in naher Zukunft?

Wir wollen auf dem Forum Citizen Science das erste Mal unsere Zwischenergebnisse präsentieren und auch Interessierte einladen, die in der Gruppe mitarbeiten möchten. Dann wollen wir auch klären, wann wir uns das erste Mal wirklich physisch treffen. Wir planen auch dieses Jahr noch eine Auftaktveranstaltung auf die Beine zu stellen.

Wer kann denn bei euch mitmachen und was sollte die Person mitbringen?

Unsere Arbeitsgruppe ist tatsächlich offen für Interessierte. Im Moment besteht sie aus Erziehungswissenschaftler*innen beziehungsweise Psycholog*innen, die sehr viel Expertise im empirisch quantitativen und auch empirisch qualitativen Arbeiten mitbringen. Wir möchten mit Leuten zusammenarbeiten, welche die gleichen Fragen haben wie wir: Was passiert mit Leuten, die bei Citizen-Science-Projekten mitmachen? Weckt mein Projekt Interesse? Die AG ist also für alle offen, die Lust haben, Variablen und Inhaltsbereiche nach wissenschaftlichen Standards aufzudecken und zu erforschen.

Was wünschst du dir für die AG in der Zukunft?

Ich wünsche mir, dass wir es schaffen, die Fragen systematisch beantworten zu können. Wir können den Projektleiter*innen nicht sagen: “Was möchtest du wissen? Hier hast du alles, los geht es! Wir beforschen das und geben dir die Antwort.” Wir haben das Ziel, dass die Community systematisch selbst dazu befähigt wird, zu forschen. Ein Beispiel: Ein Historiker leitet ein Citizen-Science-Projekt in seiner Disziplin, aber er hat eventuell weniger Erfahrung mit empirischer Forschung. Und er fragt sich, wie er sein Projekt erforschen kann. Wir möchten das Wissen, das vor allem in der Psychologie und Sozialforschung zu Hause ist, zu den Projektleiter*innen und in die Community bringen. Dann hat jeder die Möglichkeit seine Forschungsfragen zu beantworten.

Yannick Brenz

Der Biologe ist seit Februar 2019 Volontär bei Wissenschaft im Dialog. Dort unterstützt er unter anderem das Projekt Bürger schaffen Wissen.