Wenn eine eine Reise tut – Eindrücke vom Forum Citizen Science 2024
In dieser Reihe teilen Tagungsteilnehmende ihre persönlichen Eindrücke vom Forum Citizen Science 2024 in Hamburg. Im ersten Beitrag beschreibt Anett Sawall, Diplom-Museologin und bürgerwissenschaftlich Forschende in der Transkriptionswerkstatt des Museum für Naturkunde Berlin, wie sie die Konferenz erlebt hat.
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von Anett Sawall
Seit gut zwei Jahren bin ich bürgerwissenschaftlich Forschende in der Transkriptionswerkstatt im Museum für Naturkunde in Berlin und nehme nun zum ersten Mal am Forum Citizen Science unter dem Motto Mit:Wirkung teil. Wie mir scheint, bin ich eine Exotin unter den Teilnehmenden. Der überwiegende Teil der mit mir im Saal Sitzenden kommt im Auftrag verschiedener Institutionen, die Citizen Science in ihrem Programm haben. Zu meiner großen Freude treffe ich Saskia Brunst und Sarah Ziehe, zwei junge Frauen, die ich bisher nur vom Bildschirm kenne, jetzt zum ersten Mal live und in Farbe. Sie betreuen die Transkriptionswerkstatt im Museum für Naturkunde in Berlin. Einmal wöchentlich treffen sich Freiwillige, die über Kenntnisse in der Entzifferung von Handschriften in Kanzlei- und Sütterlinschrift verfügen und Akten aus dem Archivbestand des Museums in lesbare Form bringen.Diese Tätigkeit hat mich bewogen, mich näher mit dem Thema Citizen Science zu beschäftigen und auf die Idee gebracht, mein Netzwerk in dieser Richtung zu erweitern verbunden mit dem Wunsch, Anregungen und Ideen zu sammeln und vielleicht irgendwann selbst ein Projekt zu initiieren.
Der Eröffnungsabend findet im Jupiter statt, das ehemals eine Filiale von Karstadt Sport beherbergte und jetzt in einen Ort verwandelt ist, der kreativen Projekten die Möglichkeit zur Darstellung bietet. Am Eröffnungsabend stellen sich im Kaufhaus der Möglichkeiten 19 Projekte zum Mitforschen vor, darunter auch Teilnehmende des Wettbewerbs Auf die Plätze! Citizen Science in deiner Stadt. In Postersessions präsentieren sie ihre Forschungsergebnisse. Die Atmosphäre ist quirlig, man kommt schnell ins Gespräch und erhält umfassend Auskunft über die vorgestellten Projekte. Mich interessiert besonders das Projekt um ein Skizzenbuch, da ich im Hauptberuf mit einer Grafiksammlung betraut bin. Auch spannend ist das Projekt des Märkischen Museums Witten, das seine lange Zeit brachliegende Sammlung für Bürger*innen geöffnet und Geschichten zu einzelnen Objekten zusammengetragen hat.
Der erste Konferenztag beginnt mit einer etwas ungewöhnlichen Keynote, da nicht nur eine Person auf der Bühne ans Mikrofon tritt, sondern eine ganze Gruppe mit verschieden farbigen Halstüchern. Sie stellen das Projekt Community Health vor, das in Bochum und Hamburg durchgeführt wird und sich mit sozioökonomischen Themen wie Wohnen und Gesundheitsvorsorge in Wohnquartieren mit hohem Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund beschäftigt. Die bunten Halstücher symbolisieren die Zugehörigkeit zur jeweiligen Stadt, aber mein Eindruck ist, dass alle zu einem echten Team zusammengewachsen sind.
Nach dem Eröffnungsvortrag und einer Kaffeepause geht es mit Kurzvorträgen bzw. interaktiven Formaten weiter. Hier habe ich die Qual der Wahl und entscheide mich für den Workshop „Citizen Science in der universitären Lehre". Nach vier Impulsreferaten dürfen die Teilnehmenden selbst tätig werden und in Kleingruppen ein Projekt planen. Die Zeit vergeht wie im Flug und schon wird zur Mittagspause geläutet, in deren Anschluss der Markt der Möglichkeiten stattfindet. Ich suche mein eigenes Projekt und die Transkriptionswerkstatt auf, übe mit einigen Besucher*innen Sütterlin zu schreiben. Am Nachmittag steht ein weiterer Workshop auf dem Programm: „einfach mal mitforschen – ein Erfahrungsaustausch". Auch in diesem Workshop arbeiten die Teilnehmenden an verschiedenen Fragestellungen und können ihre Ideen und Erfahrungen mit der Gruppe teilen. Der erste Tag endet mit der Preisverleihung des Forschungspreises für Citizen Science und ich gehe mit vielen Eindrücken in den Abend.
Der zweite Konferenztag sieht wieder ein straffes Programm vor und beginnt mit den Netzwerktreffen von vier AGs. Die D-A-CH-AG verbindet Menschen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz für Best-Practice und informellen Austausch und ist damit ein guter Anlaufpunkt für mich als Neuling in der Gruppe. Im nächsten Workshop werde ich in einem Stuhlkreis empfangen: „HOOU meets Citizen Science". HOOU steht für Hamburg Open Online University, einer Verbundeinrichtung für offene Bildungsinhalte. In der Gruppe gestalten wir einen Ideenturm zu den Fragen der Workshopleiterinnen: „Wie kann es der HOOU gelingen, die Zivilgesellschaft noch stärker in die Entstehung von Lernangeboten einzubinden, welche Themen sind relevant, welche Formate eignen sich?“ (s. Abstract Booklet S. 11). Im letzten Workshop am Nachmittag lerne ich Praxiswerkzeuge für Citizen Science kennen. In Gruppen erarbeiten wir zunächst, mit welchen Problemen Projekte konfrontiert sein können und versuchen anschließend, passende Lösungen dafür zu finden. Der Abschlussvortrag versammelt noch einmal alle Teilnehmenden und rundet die Konferenz mit einem Aufruf zu Offenheit und Bereitschaft zur gesellschaftlichen Veränderung ab.
Meine Reise hat sich auf jeden Fall gelohnt. In den Sessions und begleitenden Gesprächen habe ich eine Menge gelernt und bin bestärkt in meinem Vorhaben, eines Tages ein eigenes Citizen-Science-Projekt auf die Beine zu stellen. Großer Dank gilt den Organisator*innen für zwei überaus anregende Konferenztage.