„Citizen Science ermöglicht einen sehr schönen Austausch” – Nachgeforscht bei Christoph Ertle von PlanBirke+C
Bei PlanBirke plus C erforschen Bürger*innen den Waldwandel am Beispiel der Birke. Warum eignet sich ein Citizen-Science-Ansatz dafür besonders gut? Wer gehört zur Zielgruppe des Projekts und wie wird diese erreicht? Diese und weitere Fragen beantwortet Projektkoordinator und wissenschaftlicher Mitarbeiter Christoph Ertle vom Forschungsinstitut für Bergbaufolgelandschaften e.V. (FIB) im Interview.
Herr Ertle, worum geht es im Projekt PlanBirke plus C?
Ertle: Bei PlanBirke plus C untersuchen wir den Waldwandel gemeinsam mit der Bevölkerung am Beispiel der Birke. Der Wald in Deutschland hat aktuell eine ganze Menge Probleme. Viele Baumarten leiden unter klimatischen Veränderungen, Insektenfraß, Waldbränden, Stürmen und so weiter. Da ist die Idee entstanden, eine Baumart näher zu untersuchen, die bisher wenig beforscht wurde und die auf diese Situation sehr gut angepasst ist. Die Pionierbaumart Birke nimmt Störungen sofort an und kann damit die Waldeigenschaften, also Waldinnenklima und überhaupt den Waldzustand, sichern und relativ schnell wiederherstellen. Darüber hinaus haben wir die Birke auch ausgewählt, weil sie sehr verbreitet und bei Jung und Alt bekannt ist. Sie ist aufgrund ihrer weißen Rinde leicht erkennbar und bietet uns die Möglichkeit, schnell mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.
Wofür steht das „plus C“ im Projektnamen?
Ertle: Das „C“ steht entsprechend des Periodensystems in der Chemie für Kohlenstoff. In einem von drei Fokusthemen konzentrieren wir uns nämlich auf die Klimawirksamkeit des Waldes. Diese wird an der Menge Kohlenstoff festgemacht, die im Wald möglichst dauerhaft gespeichert wird, und damit den Anteil Kohlendioxid in der Atmosphäre verringert.
Warum haben Sie sich entschieden, für Ihre Forschung einen Citizen-Science-Ansatz zu verwenden?
Ertle: PlanBirke plus C ist ein relativ kleines Projekt, wir haben aber die Aufgabe, deutschlandweit wirksam zu sein. Der Bürgerforschungsansatz bietet uns zwei wesentliche Mehrwerte, wenn man so will. Der eine ist, dass wir durch die Mithilfe von Bürger*innen in ganz Deutschland mehr Daten generieren können. Wir sind viel schneller und können sicherere Aussagen aus dieser größeren Datenbasis ziehen. Zum anderen haben wir den direkten Kontakt zu den Mitforschenden und können so die Ergebnisse auch sofort wieder zurückspiegeln. Das ist eine Situation, die man in der Wissenschaft nicht oft hat. Meistens dauert es sehr lange, bis neue Erkenntnisse an die Bevölkerung herangetragen werden und dann irgendwann auch angewendet werden. Citizen Science ermöglicht einem so einen sehr schönen Austausch und durch den Dialog bei Veranstaltungen kommen wir manchmal auf neue Fragestellungen, an die wir selbst nicht gedacht hätten. Der Kommunikation innerhalb der Wissenschaft fehlt mitunter der Blick von außen .
Wen möchten Sie mit PlanBirke plus C ansprechen?
Ertle: Unsere Zielgruppe ist relativ vielfältig. Wir möchten primär interessierte Bürger*innen ansprechen, die sich für die Natur interessieren und sowieso aktiv werden möchten. Die wollen wir abholen und mit ihnen gemeinsam arbeiten. Zum Teil sind diese Menschen schon in naturnahen Gruppierungen organisiert – in Wandergruppen, Naturschutzorganisationen oder anderen Verbänden. Außerdem adressieren wir die Flächeneigentümer, denn das sind diejenigen, die die Dinge auch umsetzen können. Oftmals haben sie selbst eine Frage und wollen wissen, was sie z. B. mit ihrer geschädigten Waldfläche machen können. Natürlich sind wir offen für jede Person, die mitmachen möchte.
Über welche Kanäle erreichen Sie Ihre Zielgruppen?
Ertle: Unsere Zielgruppen erreichen wir zum einen über unsere sogenannten Bürgerlabore in den drei Modellregionen. Unsere Modellregionen sind die Forststation Rheinelbe in Gelsenkirchen, die Königsbrücker Heide in Sachsen und die Niederlausitzer Heidelandschaft in Südbrandenburg. Bei diesen Veranstaltungen lernen wir Menschen kennen, erzählen vom Projekt, geben Material an die Hand und hoffen, dass diese Menschen dann zu Multiplikator*innen werden. Außerdem haben wir in Eberswalde die große, interaktive Ausstellung „Die Dame des Waldes“, in der wir Besucher*innen auch auf unser Citizen-Science-Projekt aufmerksam machen. Darüber hinaus versuchen wir auf Veranstaltungen präsent zu sein wie bürgernahen Festen, der Grünen Woche, aber auch Science Slams, um eine möglichst breite Gruppe der Bevölkerung zu erreichen. Natürlich haben wir auch eine Projektwebseite und Kanäle in den Sozialen Medien. Anfangs hatten wir uns von den Online-Auftritten ein bisschen mehr erhofft. Wir hatten zwar durchaus sehr hohe Zugriffszahlen auf die Beiträge, aber aus denen ist nicht unbedingt eine Aktivität resultiert. Unserer Erfahrung nach ist es sehr viel wertvoller, bei einer Veranstaltung in den direkten Kontakt zu kommen und dann natürlich so überzeugend zu sein, dass die Leute davon weitererzählen.
Wie forschen Bürger*innen konkret bei PlanBirke plus C mit?
Ertle: Da gibt es zwei Säulen. Die erste sind die bereits erwähnten Bürgerlabore. Das sind gemeinsame Messkampagnen, bei denen wir zusammen mit Bürger*innen Daten erheben. Im Themenschwerpunkt Klimawirksamkeit haben wir dabei zum Beispiel Bäume gefällt und untersucht, wie hoch die Anteile des Kohlenstoffs in den einzelnen Kompartimenten – Blättern, Zweigen, Rinde, Stamm – sind. Das ist ein unheimlicher Arbeitsaufwand, den man mit vielen Menschen leichter bewältigt und bei dem man sehr gut ins Gespräch kommen kann. Die zweite Säule ist die eigenständige Forschung. Das heißt, jede*r kann selbst aktiv werden und, egal wo sie oder er ist, einfach mit unserer App „PlanBirke“ zu unseren Schwerpunktthemen Klimawirksamkeit, Biodiversität und Wasserhaushalt losforschen. Wenn man durch einen Wald spaziert, kann man zum Beispiel Vielfaltsstrukturen erheben, indem man Baumhöhlen oder Baumpilze kartiert. Wer noch mehr machen möchte, kann sich bei uns melden und bekommt dann ein Forscherpaket mit Instrumenten zur Messung von Wasserhaushalt und Kohlenstoffspeicher zugeschickt. Im Forschungsinstitut in Finsterwalde sammeln wir alle Daten, werten sie aus und spielen sie auch unmittelbar zurück – z.B. über eine Karte auf unserer Webseite und die Präsentation von Ergebnissen bei Bürgerlabortagen.
Wie gestaltet sich der Kontakt mit den Citizen Scientists im Projekt?
Ertle: Die zentrale Basis für unseren Austausch ist unsere Webseite plan-birke.de, dort werden alle Informationen gebündelt. Der Austausch findet aber auch über unsere Veranstaltungen, Social Media und unsere sogenannten Birkenbriefe statt. In den Birkenbriefen informieren wir alle Mitforschenden in unregelmäßigen Abständen über Ergebnisse und laden zu Veranstaltungen ein. Bei bestimmten außergewöhnlichen Meldungen nehmen wir außerdem direkten Kontakt auf, um Fragen zu klären und evtl. eine Meldung zu validieren. In manchen Fällen, wenn zum Beispiel ein seltener Baumpilz gemeldet wird, reicht ein Foto nicht aus, sondern muss vor Ort eine Probe genommen werden.
Welche Herausforderungen sind Ihnen im Projekt bislang begegnet?
Ertle: Am Anfang war die Entwicklung der App eine Herausforderung. Da mussten wir an ein paar Stellen nachsteuern und Informationen nachliefern. Ansonsten muss ich im Großen und Ganzen sagen, sind wir überrascht, wie gut das funktioniert mit den Menschen. Es ist mitunter natürlich nicht einfach, Leute zu aktivieren und in bestimmten Regionen zu einer Veranstaltung heranzubekommen. Wenn man dann aber erst mal einen Zugang hat, läuft es ganz gut. Wie so oft, ist der erste Schritt der schwerste. Jetzt wo wir ein Netzwerk an Akteuren aufgebaut haben, die mitmachen, ist es nicht so, dass wir viel enttäuscht werden.
Welche nächsten Schritte stehen im Projekt an und auf welchen freuen Sie sich besonders?
Ertle: Wir haben jetzt das zweite Projektjahr hinter uns und noch ein Jahr vor uns. Wir führen die Säule der eigenständigen Forschung weiter und sind gespannt auf die Daten. Vielleicht tun sich dabei auch noch neue Themen auf, so wie es mit den Pilzausbreitungen bereits der Fall war. Das bleibt sehr spannend für uns. Die Säule der Bürgerlabore schließen wir ab und beschäftigen uns im letzten Projektjahr intensiv mit den Auswertungen. Die Ergebnisse präsentieren wir dann bei Fachtagungen und Veranstaltungen. Da geht es um den Wissenstransfer. Hierbei ist es ist die größte Herausforderung, die wissenschaftlichen Ergebnisse so zu formulieren, dass sie gut verständlich ankommen. Wenn wir mit dem Citizen-Science-Ansatz arbeiten, sollte es auch das Ziel sein, die Bevölkerung mit den Ergebnissen zu erreichen und nicht nur, in hochrangigen, wissenschaftlichen Zeitschriften zu veröffentlichen.
PlanBirke plus C ist ein Verbundprojekt des Forschungsinstituts für Bergbaufolgelandschaften e.V., des Landesverbands Brandenburg der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) und des SDW Bundesverbands.