„Trinkwasser ist ein Thema, das uns alle betrifft” – Nachgeforscht bei Jan Kath von CS:iDrop
Beim Citizen-Science-Projekt CS:iDrop analysieren Bürger*innen mithilfe der CS:iDrop-Waterbox und einfachen chemischen Methoden ihre eigenen Trinkwasserproben. Damit gehen sie der Frage auf die Spur, inwieweit sich ausgewählte Parameter des Trinkwassers auf dem letzten Meter gegebenfalls verändern. Wir haben mit Jan Kath (Ruhr-Universität Bochum) über CS:iDrop, die verschiedenen Beteiligungsformen und die Begleitforschung im Projekt gesprochen.
Was ist die Idee hinter dem Projekt CS:iDrop?
Kath: Trinkwasser ist das am besten kontrollierte Lebensmittel in Deutschland. Es wird von den kommunalen Wasserversorgern bis zu den Hausübergabestellen mit sehr hoher Qualität zur Verfügung gestellt. Es ist aber wissenschaftlich belegt, dass Wasser in den häuslichen Leitungen, also auf den letzten Metern, bestimmten Veränderungen unterliegen kann. Es könnten beispielsweise Schwermetalle, die im Leitungsmaterial enthalten sind, ins Trinkwasser gelangen. Das tatsächliche Ausmaß dieser Veränderungen wollen wir mit dem Projekt CS:iDrop untersuchen.
Welchen Mehrwert bietet ein Citizen-Science-Ansatz?
Kath: Die Proben zur Untersuchung dieser möglichen Veränderungen müssen am heimischen Wasserhahn entnommen werden. Weil es sich dabei um sehr viele Entnahmestellen handelt, ist das in der Praxis für Wissenschaftler*innen nicht ganz einfach. Zudem ist Trinkwasser ein sehr interessantes Thema, das uns alle betrifft. Hier bietet sich daher ein bürgerwissenschaftlicher Ansatz hervorragend an. Die Bürgerwissenschaftler*innen haben Zugriff auf das Trinkwasser an der relevanten Stelle und die Wissenschaftler*innen können sicherstellen, dass die für die Forschungsfrage passenden Methoden genutzt oder gegebenenfalls entwickelt werden. Darin bildet sich auch der Mehrwert von CS:iDrop ab.
Wie können Bürger*innen beim Projekt mitmachen?
Kath: CS:iDrop richtet sich an erwachsene Bürger*innen, die in Bochum wohnen. Das ist unser Pilotstandort. Interessierte melden sich per E-Mail bei uns und erhalten daraufhin verschiedene Terminangebote, an denen sie partizipieren können. In der Regel öffnet unser Messlokal ein bis zweimal im Monat. Haben sich die Bürger*innen dann zu einem der Messlokal-Termine angemeldet, vereinbaren wir noch einen zusätzlichen Termin. Bei diesem entleihen sich die Bürger*innen eine CS:iDrop-Waterbox. Das ist ein mobiler Analysekoffer für heimische Trinkwasseranalysen. An den Messlokalterminen sind die Bürger*innen an verschiedenen Stellen aktiv: Die Proben, die die Bürger*innen zuhause entnommen und dort bereits mit einfachen Methoden analysiert haben, untersuchen sie gemeinsam mit Wissenschaftler*innen mithilfe klassischer Labormethoden auf weitere Parameter. In einem dritten Analyseschritt werden die Proben im Labor auf weitere, kompliziert messbare Parameter, wie beispielsweise Blei, untersucht. Alle erhobenen Daten werden dann mit ihrer geographischen Verortung auf der OpenSenseMap, einer Plattform für öffentliche Daten, eingetragen. Die Daten sind dann auch über die CS:iDrop-App abruf- und nutzbar.
Über die Datenerhebung hinaus, haben wir auch weitere partizipative Formate mit anderen Zielsetzungen. Das sind zum Beispiel Exkursionen, bei welchen unter anderem der Frage nachgegangen wird, wie der Weg unseres Trinkwassers außerhalb der heimischen Leitungen aussehen kann. Außerdem bieten wir Workshops an, bei welchen wir beispielsweise gemeinsam mit den Bürger*innen mit den erhobenen Daten arbeiten. In diesen Formaten sollen außerdem Dialogräume mit den Partner*innen des Projektes eröffnet werden, um sich über Fragestellungen rund um das Thema „Trinkwasser” auszutauschen.
Was beinhaltet die CS:iDrop-Waterbox?
Kath: Die CS:iDrop-Waterbox enthält Materialien für chemische Fachmethoden, die einfach durchzuführen sind. Einfache Methoden deshalb, weil die Waterbox transportabel sein muss. Diese Methoden dienen vor allem zur Analyse von Vor-Ort-Parametern, also von Parametern, die nur direkt im Anschluss an die Probennahme valide gemessen werden können. Am einfachsten ist dies am Beispiel der Temperatur nachzuvollziehen, die wird bei der Probenahme gemessen und liegt dann beispielsweise bei 23 Grad Celsius. Wenn man die Probe dann gekühlt lagert, verändert sich logischerweise die Temperatur. Das ist mit dem pH-Wert ähnlich, denn auch dieser Parameter kann nach der Probenahme Veränderungen unterliegen. Deswegen müssen diese Parameter direkt vor Ort mit der CS:iDrop-Waterbox gemessen werden.
Sie schreiben auf ihrer Website, dass Bürger*innen sich auch in Entwicklungs- und Evaluationsworkshops im Projekt einbringen können. Worum geht es konkret in diesen Workshops?
Kath: Bei den Entwicklungsworkshops haben wir bisher außerordentlich wertvolle Erkenntnisse sammeln können, zum Beispiel, welche chemischen Fachmethoden im Kontext von Citizen Science genutzt werden können beziehungsweise wie wir diese zielgerichtet optimieren können. Es ist nicht trivial, eine Vorschrift, also eine Anleitung, für Personen mit ganz unterschiedlichen Vorwissen zu schreiben. Ein zentraler Baustein in diesem Prozess ist daher der Austausch mit den Nutzer*innen, also unseren Bürgerwissenschaftler*innen. Die Workshops bieten Raum für gegenseitigen Austausch, um gemeinsam an den zur Datenerhebung notwendigen Vorschriften zu arbeiten. Neben den chemischen Fachmethoden thematisieren unsere Workshops natürlich auch allgemeinere Fragen: Welche Parameter könnten noch analysiert werden? Wie kann der Projektablauf verbessert werden? Was sind weitere thematische Schwerpunkte, die wir umsetzen können? Bisher wurden diese Workshops auch sehr gut angenommen.
Wie viele Personen haben bisher an CS:iDrop teilgenommen?
Kath: Bisher wurden 360 Leitungswasserproben analysiert. Häufig ist es aber so, dass eine Leitungswasserprobe nicht von einer einzelnen Person entnommen und analysiert wird, sondern sich beispielsweise der*die Partner*in oder Mitbewohner*in den Analysen anschließt. Auch unsere vielen Veranstaltungen erfreuen sich reger Beteiligung. Insgesamt kommen wir also zu einer deutlich größeren Zahl an Teilnehmenden, als die der Probenentnahmen. Die Begleitevaluation, die wir durchführen, hat ergeben, dass sich 55% der Teilnehmenden dem weiblichen Geschlecht zuordnen. Auch die Altersstruktur sowie die geographische Verteilung der Probenentnahme sind sehr divers.
Sie führen auch Begleitforschung zum Projekt durch. Um welche Fragen geht es da? Und welche Methoden wenden Sie dabei an?
Kath: Auf der einen Seite geht es um die Frage: Wie hoch ist die Genauigkeit unserer bürgerwissenschaftlichen Analyseverfahren? Hierbei ist auch von Interesse, inwieweit Vorerfahrungen eine Rolle spielen könnten. Es geht ja gerade darum, dass jeder Person ermöglicht wird, im Labor Wissenschaft aktiv mitzugestalten und dann eben auch mal eine chemische Analyse durchzuführen. Auf der anderen Seite beschäftigt uns natürlich auch die Frage, aus welchen Beweggründen Teilnehmende bei CS:iDrop mitmachen. Aber auch zum Beispiel, wie das Kompetenz- und das Autonomieerleben sowie das Erleben sozialer Eingebundenheit in das Projekt ist. Diese Faktoren erfassen wir zu verschiedenen Zeitpunkten im Projekt.
Welche Herausforderungen sind Ihnen bisher im Projekt begegnet, und wie konnten Sie diese bewältigen?
Kath: Zu Beginn des Projektes war die Corona-Pandemie eine große Herausforderung. Es war einfach schwierig, Personen einzuladen und in Präsenz zusammenzukommen. Aber gerade wenn man für die Durchführung von Analysen auf ein chemisches Labor angewiesen ist, wie es bei uns eben der Fall ist, ist dies nur in Präsenz möglich. Auch die ersten Entwicklungsworkshops und die Pilotierungsphase des Projektes stellten uns vor eine besondere organisatorische und planerische Herausforderung. Ich bin froh, dass wir uns dieser Herausforderung als gesamtes Projektteam erfolgreich gestellt haben. Denn die Erkenntnisse, die wir bei diesen Prozessen gewinnen konnten, sind unglaublich wertvoll gewesen, um das Projekt weiterführen und dabei dann auch die Daten gut erheben zu können.
Davon abgesehen war es natürlich auch eine große Herausforderung, das übergeordnete Analysekonzept zu entwickeln, also von der Abholung der Waterbox, der Probennahme bei den Bürger*innen zu Hause, den Analysen mit der Waterbox bis hin zur Arbeit im Messlokal an der Universität. All dies so zu gestalten, dass ganz unterschiedliche Personen am Forschungsprozess teilnehmen können, war nicht einfach.