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Exzellenz in Citizen Science – Ein Workshop-Bericht von der OECSK 2023

Foto: Leonhard Niederwimmer/unsplash

„Was macht Citizen Science wissenschaftlich exzellent?“, haben wir die Teilnehmenden der Österreichischen Citizen Science Konferenz im April 2023 in Linz gefragt und durften uns über großen Andrang im Workshop freuen. Warum uns das Thema umtreibt? In diesem Jahr werden wir erstmals einen Forschungspreis für Citizen Science verleihen! Ziel des Workshops war es, Exzellenzkriterien für den Preis ko-kreativ zu diskutieren und zu definieren.

Zum Einstieg präsentierte Silke Voigt-Heucke, Projektleiterin von Bürger schaffen Wissen am Museum für Naturkunde Berlin (MfN), unser neues Vorhaben: Gemeinsam mit einer interdisziplinär aufgestellten Preis-Jury werden wir Forscher*innen mit einem Preis auszeichnen, die mithilfe von Citizen Science exzellente Forschungsleistungen erbracht haben.

Ein Raum mit mehreren Gruppentischen an denen Workshop-Teilnehmende gemeinsam arbeiten

Warum braucht es überhaupt einen Preis für Citizen Science in Deutschland? Aus unserer Sicht gibt es dafür viele gute Gründe: die Reputation von Citizen Science oder genauer die oft fehlende Anerkennung im Wissenschaftssystem ist nach wie vor ein zentrales Thema in der Community. Diese zu stärken wurde als Notwendigkeit in der Citizen-Science-Strategie 2030 im Handlungsfeld 8 ausgemacht. Auch in unseren Communityworkshops zur Weiterentwicklung von Bürger schaffen Wissen wurde dieser Bedarf als wichtige Aufgabe für uns als Plattform formuliert. Im Wissenschaftssystem stellt eine Preisvergabe ein etabliertes Instrument zur Sichtbarmachung und Anerkennung herausragender Leistungen dar. Gleichzeitig kann er den Preisträger*innen neuen Antrieb für ihre zukünftige Forschung verleihen, sei es in Form von Motivation oder von finanziellen Mitteln. Mit der Etablierung des Preises unterstützen wir außerdem einen Wandel hin zu einem offeneren, demokratischeren Erkenntnisgewinn und tragen zur Debatte um mögliche Exzellenzkriterien für Citizen Science bei.

Mathilde Bessert-Nettelbeck, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Bürger schaffen Wissen (am MfN), näherte sich anschließend dem Begriff der Exzellenz in der Wissenschaft. „Exzellent” ist eine kontrovers diskutierte Zuschreibung, bei der nicht nur häufig vieles im Vagen bleibt, sondern die auch Fragen nach Machtgefügen und Wettbewerbszwängen mit sich bringt. Eine klare Struktur hingegen bietet z.B. das im Workshop vorgestellte Modell des Schweizerischen Nationalfonds, welches im Spannungsfeld von Forschungskultur und Wissensgewinn konkrete Kriterien für die Fragestellung einer Forschungsarbeit, ihrer Methoden und das Verhalten der Forschenden festlegt. 

Nach den beiden Inputs hieß es: „Spotlight on“ und die Teilnehmenden schlüpften in die Rolle einer Preis-Jury! In Kleingruppen erhielten sie beispielhafte Publikationen mit dazugehörigen, von Chat GPT generierten Nominerungsschreiben. Auf dieser Grundlage versuchten sie Exzellenzkriterien zu entwickeln und diskutierten dabei folgende Fragen: Was kann Citizen Science Einzigartiges in Bezug auf die Qualität der Forschung bewirken und an welcher Stelle finden sich Anknüpfungspunkte zu üblichen wissenschaftlichen Exzellenzkriterien? Inwieweit nützen einer Jury beispielsweise die herkömmlichen Indikatoren der qualitativen und quantitativen Erfolgsmessung (wie Peer-Review, H-Index, Impact-Factor)? 

Angelehnt an die Kategorien des Modells des Schweizer Nationalfonds haben wir gemeinsam Ideen für Exzellenzkriterien – gegliedert nach Fragestellungen, Methoden und Verhalten – gesammelt (siehe Abbildung). Die Ergebnisse werden wir nun auswerten.

Notizen auf dem Miroboard, Workshop-Ergebnisse

Mit dem Start der Arbeitsphase wurde sofort klar: Das Thema wissenschaftlicher Exzellenz in Citizen Science bewegt die Community! Die Diskussionen waren intensiv und in Teilen kontrovers. 

Eine erste Feststellung der Teilnehmenden war, dass die Angehörigen unterschiedlicher Disziplinen und Arbeitskontexte an den bunt gemischten Workshop-Tischen auch unterschiedliche Werte-Mechanismen mitbrachten, was die gemeinsame Beurteilung der vorliegenden Publikationen erschwerte. Eine Herausforderung, vor der auch unsere tatsächliche Jury stehen wird und deren Potential es zu nutzen gilt. Eine Arbeitsgruppe schlug vor, zur Bewertung des Erkenntnisgewinns einer Veröffentlichung zunächst ein fachliches Gutachten einzuholen (wie auch im Konzept bereits angedacht) und erst im weiteren Schritt den partizipativen Modus zu beurteilen. Ein großer Diskussionspunkt war außerdem, ob und wie die gesellschaftliche Relevanz einer Forschungsleistung berücksichtigt werden sollte. Inwieweit wäre es tragbar, für die Bewertung von Exzellenz einen gesellschaftlichen Impact mitzudenken oder eben auszuklammern, obwohl er doch Antrieb zahlreicher Citizen-Science-Projekte ist? Wie ließe sich ein solcher Faktor messen? Eine spannende Idee aus der Community war es in diesem Kontext, bei der Einreichung neben dem zu bewertenden Werk ein weiteres Produkt einzufordern (z.B. in einfacher Sprache), welches auf einen gesellschaftlichen Mehrwert abzielt.

Viele Teilnehmende beschäftigte zudem die Frage, welche Relevanz die Art der Beteiligung der Citizen Scientists für die Bewertung der Exzellenz haben sollte. In unserem Szenario konnten sich wenige vorstellen, zur Feststellung einer Preiswürdigkeit den Grad der Einbindung und den herausragenden Erkenntnisgewinn vollständig voneinander zu entkoppeln. Vorschläge dazu, was im Zusammenhang mit den Freiwilligen wichtig wäre, gab es einige – von der Forderung nach der Beurteilung eines Mehrwerts für die Citizen Scientists (Stichwort „Anerkennung”) über die Idee der Beilage eines Partizipationskonzept bei der Nominierung bis hin zur Idee, die Passfähigkeit der Beteiligung zur jeweiligen eingereichten Forschung als Kriterium einzubauen.

Die weitreichende Frage, ob und wie die Strahlkraft einer exzellenten Leistung in der Wissenschaft mit einer praktikablen Checkliste zur Bewertung dieser zusammenpassen kann, lässt sich in 1,5 Stunden nicht lösen. Den Workshop sehen wir als ersten Anstoß für eine Debatte über Exzellenz in Citizen Science. Wir danken allen Teilnehmenden, die durch ihre unterschiedlichen Zugänge zum Feld und mit ihrem großen Erfahrungsschatz unsere Preis-Konzeptualisierung sowie den Prozess der Entwicklung erweiterter Exzellenzkriterien bereichert haben! 

Wie geht es weiter? Wir verfassen einen Proceedingsbeitrag, in dem wir weiter auf die Details der Vorschläge aus dem Workshop eingehen. Außerdem steht die Erarbeitung des Calls gemeinsam mit der Preis-Jury an. Und wir planen, den Call im Juli 2023 zu veröffentlichen. Über unsere üblichen Kanäle (Newsletter, Twitter & Instagram) halten wir euch dazu natürlich auf dem Laufenden!

Leonie Malchow

Leonie ist über die Welt der Engagement- und Demokratieförderung bei der Citizen Science gelandet. Im Team ist sie für Projektmanagement und Kommunikation zuständig.