“Den Austausch in der Region West stärken” - ein Interview mit Isabel Strauß und Anna Soßdorf
Isabel Strauß und Anna Soßdorf sind die Leiterinnen der neu gegründeten AG Netzwerk "Region West". Sie arbeiten in unterschiedlichen Bereichen an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und nun gemeinsam an der Vernetzung von Citizen- Science-Akteur*innen im Raum Nordrhein-Westfalen. Ein Interview zum Kennenlernen, den Impulsen und Zielen der AG Netzwerk „Region West“.
Zu Beginn des Interviews möchte ich Sie bitten, sich kurz vorzustellen und uns zu verraten, was Sie mit dem Thema Citizen Science verbindet.
Isabel Strauß: Bei meiner Arbeit an der Universität Düsseldorf habe ich zwei Hüte auf: Zum einen bin ich die Referentin der Prorektorin für Forschung und Transfer und zum anderen arbeite ich an der Stabstelle der „Bürgeruniversität“. Die „Bürgeruniversität“ beschäftigt sich mit der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Das heißt, wie können einerseits Wissenschaft und wissenschaftliche Prozesse in die Gesellschaft vermittelt werden, aber andererseits auch, wie kann Partizipation an Wissenschaft für Bürger*innen ermöglicht werden? Bei dieser Arbeit geht es einerseits um Wissenschaftskommunikation und Service Learning, d.h. Lernen mit der Zivilgesellschaft. Andererseits beschäftigen wir uns in einer dritten Säule mit Bürgerbeteiligung und Citizen Science.
Hierbei besteht das Ziel darin, Wissenschaftler*innen der Heinrich-Heine-Universität dazu zu ermutigen und zu beraten, Citizen-Science-Ansätze in ihre Arbeit zu integrieren, unabhängig mit welchem Partizipationsgrad der Bürger*innen.
Seit zwei Jahren haben wir außerdem einen Fördertopf für Citizen-Science-Projekte aufgelegt, mit dem wir mittels einer jährlichen Ausschreibung Forschungsprojekte fördern, die Citizen-Science-Ansätze in ihrer Forschung umsetzen wollen.
Anna Soßdorf: Ich knüpfe direkt dort an, denn der genannte Fördertopf der „Bürgeruniversität“ ist der Grund unserer Zusammenarbeit. Über die Finanzierungsmöglichkeit der “Bürgeruniversität” realisieren wir gerade in Zusammenarbeit mit Kolleg*innen aus der Politikwissenschaft ein Citizen-Science-Projekt zum Thema Fridays for Future. Wir haben den Citizen-Science-Ansatz aufgegriffen, Mitforschende aus dem Kreis der Aktivist*innen von Fridays for Future in Düsseldorf akquiriert und sind jetzt seit über einem Jahr mit ungefähr 10 Personen in einem gemeinsamen Forschungsprozess. Wir sind sehr dankbar, dass wir die Finanzierung erhalten haben, aber auch, dass wir durch unser Projekt andere Einblicke und methodische Zugänge im Kontext von Fridays for Future erhalten -beispielsweise, wie Menschen aus nicht akademischen Kreisen oder Menschen, die nicht mit Wissenschaft beschäftigt sind, sich dem Thema aus der Forschungsperspektive nähern.
Hier liegt auch mein Schnittpunkt mit Citizen Science. Ich bin promovierte Kommunikations- und Medienwissenschaftlerin und habe bereits vor ein paar Jahren meine Promotion zum Thema Jugendliche und politische Partizipation im Internet abgeschlossen. Partizipative (digitale) Elemente und Citizen Science haben mich schon immer interessiert, beispielsweise wie Medienbildung und Partizipation zusammengedacht und -genutzt werden können, egal ob auf politischer oder auf gesellschaftlicher Ebene. Über den Kontakt zu Frau Strauß ist dann unter anderem die Zusammenarbeit in der AG Netzwerk „Region West“ entstanden.
Die AG ist erst im Januar gegründet worden und macht es sich zur Aufgabe, Citizen-Science-Akteur*innen aus Nordrhein-Westfalen zu vernetzen. Welche Impulse gab es zur Gründung? Wieso ist es sinnvoll, Wissen und Expertise in der AG zu bündeln?
Anna Soßdorf: Von Bürger schaffen Wissen gab es die Möglichkeit zur Gründung weiterer Arbeitsgruppen, denn es zeigte sich durch die bereits bestehenden Arbeitsgruppen wie der AG Weißbuch und AG Citizen Science Berliner Raum, welches Potential eine Vernetzung in einer AG bietet. So kam es, dass wir den “Zuschnitt West” sehr weit gefasst haben und gespürt haben, dass es hier eine große Expertise und Bereitschaft, sowohl in wissenschaftlichen als auch in praktischen Bereichen gibt, den Ansatz von Citizen Science weiterzutragen. So haben sich verschiedene Interessent*innen zusammengefunden und es kommen stetig noch neue hinzu.
Die AG ist ein Netzwerk unterschiedlicher Personen und auch unterschiedlicher Engagement-Stufen. Momentan stehen wir am Anfang der Arbeit. Die Idee, sich zu vernetzen, um sich auszutauschen und gemeinsam Projekte zu realisieren und so voneinander zu lernen, war leitend für die Umsetzung der AG.
Ein Vorhaben Ihrer Arbeitsgruppe ist es auch, die Vernetzung von Stakeholdern aus Politik, aus dem Wissenschaftssystem und der Zivilgesellschaft zu fördern. Wie genau sieht die Arbeit in der Praxis aus?
Isabel Strauß: Wir stehen noch am Anfang unserer Arbeit. Die ersten Eckpunkte, was das Organisatorische und Inhaltliche anbelangt, haben wir festgelegt. Aktuell sind die Akteur*innen, die regelmäßig dabei sind, bunt gemischt: Wissenschaftler*innen, Wissenschaftsmanager*innen und Teilnehmende aus zivilgesellschaftlichen Organisationen, z. B. vom Wissenschaftsladen Bonn. Aber auch eine Vertreterin des Ministeriums für Bildung und Forschung des Wissenschaftsministeriums in NRW ist sehr interessiert an der Arbeit der AG. Die Region West haben wir geographisch für uns im Wesentlichen aus NRW und den angrenzenden Gebieten definiert, so haben wir beispielsweise auch Vertreter*innen aus Mainz dabei. Jetzt sind wir als Kerngruppe dabei, uns als Multiplikatorinnen zu betrachten und Menschen in unserem Umfeld anzusprechen, von denen wir wissen, dass sie sich für Citizen Science interessieren oder partizipativ arbeiten. Und das eben in ganz unterschiedlichen Bereichen, also nicht nur direkt in der Wissenschaft, sondern auch aus Kunst und Kultur oder in Stadtverwaltungen und Kommunen. Das heißt also, wir wollen so Schritt für Schritt mehr Menschen ansprechen und bei Interesse gerne in unser Netzwerk aufnehmen. Wir freuen uns darauf, weitere Impulse aufzunehmen, und das nicht nur von unserer aktuell noch stark an Wissenschaftsinstitutionen gebundenen Kerngruppe.
In den nächsten Monaten geht es darum, mehr Menschen für die Mitarbeit in der AG zu gewinnen. Wer ist eingeladen und wie kann man mitmachen
Isabel Strauß: Unsere Intention ist es, natürlich offen für alle in der Citizen Science aktive oder daran interessierte Personen und Organisationen zu sein. Wenn wir es schaffen würden, eine noch breitere Mischung für unser Netzwerk zu gewinnen, gerade bei Einzelpersonen, die Interesse haben, dann wäre das toll.
Anna Soßdorf: Für die konkrete Zusammenarbeit haben wir beispielsweise von Anfang an ein Open Document ins Netz gestellt, wo jede*r zugreifen kann, in dem die wichtigsten Diskussionspunkte und Vereinbarungen zusammengefasst werden. Jede*r kann jederzeit einsteigen und schauen, ob es Überschneidungspunkte mit den eigenen Interessen gibt. Vielleicht kommt man nur eine Sitzung zum Ausprobieren und entscheidet danach. Es ist sehr niederschwellig und offen, man kann sich einbringen, muss man aber eben nicht. Man wird sehen, wie die AG in einem halben Jahr aufgestellt ist, wie die Manövrierfähigkeit der AG sein wird.
Sie haben bereits viele tolle Impulse gegeben. Was wünschen Sie sich für die Arbeit der AG in der Zukunft?
Isabel Strauß: Ich hoffe, dass wir auch in sechs Monaten eine verstetigte regelmäßige Teilnehmerschaft haben, die sich heterogen und divers zusammensetzt, unabhängig von ihrer Größe. Und, dass wir es als AG geschafft haben, uns auf gemeinsame Ziele zu einigen und erste kleine Projekte initiiert haben. Ein Ziel ist sicherlich auch, sichtbar in unserer Region zu sein und als Ansprechpartner*innen für Expertise im Bereich Citizen Science wahrgenommen werden und damit im Idealfall auch die Sichtbarkeit von Citizen Science in unserer Region stärken.
Anna Soßdorf: Ich finde auch, dass wir in diesem Duktus weitermachen und immer wieder neu inspiriert werden. So gehen Frau Strauß und ich zwar vorbereitet in die AG-Treffen, aber dann entwickeln sich die Schwerpunkte und Themen der Treffen durch den Input der Gruppe und am Ende wird es etwas ganz anderes, als wir uns das im Vorfeld gedacht haben. Das ist super, weil man nur Neues lernt, wenn man total offen ist!
Ich sehe die AG als Geäst: Wir haben eine Basisgruppe und aus dieser Basisgruppe können sich so viele neue Verbindungen oder Ideen ergeben. Wir müssen als eine große Gruppe nicht immer alles zusammen machen. Zum einen gibt es diese dickeren Äste, wo man große Themen angeht und dann gibt es kleinere Verästelungen, bei denen sich ein paar wenige Personen zusammenschließen, die durch das Netzwerk feststellen “Hey, wir passen gut zusammen.” So planen wir beispielsweise eine regelmäßig stattfindende Input-Runde, in der sich erfolgreiche Projekte von uns vorstellen und andere wiederum Fragen stellen können - hier können die Projekte voneinander lernen im Sinne von best or worst practice.
Isabel Strauß: Das möchte ich gerne ergänzen: In den bisherigen Sitzungen hat sich bereits gezeigt, dass sich die Gruppe besser kennenlernt und wir viel stärker in inhaltliche Diskussionen kommen - und dass es unglaublich viele Ressourcen gibt, die jede Person schon hat und einbringt. Ich gehe aus jeder Sitzung raus und habe wieder so viel erfahren, Neues gelernt und interessante Impulse bekommen. Oder Menschen noch einmal ganz anders erlebt, mit denen ich mich noch über weitere Themen austauschen möchte. Wenn sich diese Synergieeffekte für alle Beteiligten in der AG einstellen, ist das ein toller Erfolg!
Vielen Dank für das aufschlussreiche Interview und die spannenden Impulse zur Mitarbeit in der AG Netzwerk "Region West"!
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