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Kommunikation und Citizen Science: Worauf kommt es an?

Foto: Michael Gaida/Pixabay

Citizen-Science-Projekte sind ein buntes Mosaik aus unterschiedlichen Partner*innen und Akteur*innen. Die Kommunikation - nach innen und außen - kann hier wie ein Klebstoff wirken, der alle Beteiligten und damit das Projekt zusammenhält. Der Zeitaufwand ist entsprechend hoch, häufig höher als in konventionellen Forschungsprojekten, und kann schnell unterschätzt werden. In diesem Artikel wollen wir uns auf die Kommunikation zur Gewinnung und Motivation von Mitforschenden konzentrieren, unterfüttert mit Best-Practice-Beispielen und Forschungsergebnissen.

In der Forschung werden bislang vor allem zwei Dimensionen der Kommunikation diskutiert: die zur Rekrutierung von Mitforschenden und die zur Motivation für ein langfristiges Engagement. Louis A. Penner schlug 2002 ein Modell vor, das die verschiedenen Einflussfaktoren von freiwilligem Engagement erklären soll. Kurz zusammengefasst: Die Entscheidung für ein Engagement wird bestimmt 1) durch die persönlichen Umstände und Attribute der Freiwilligen und 2) durch die Organisation und Kommunikation des Projektes. Wir schauen uns die Kommunikation für drei Aspekte dieses Entscheidungsprozesses an: Wie macht man ein Projekt bekannt? Wie überzeugt man Menschen davon teilzunehmen? Und wie hält man die Motivation aufrecht?

Online oder Mundpropaganda?

Zunächst müssen die Freiwilligen überhaupt davon erfahren, dass das Projekt existiert. Um Aufmerksamkeit zu erregen, kann man sich auf allen Kommunikationskanälen austoben. Mit klassischer Pressearbeit, in den sozialen Medien, mit Flyern oder Infoständen präsentiert man das Projekt so vielen Menschen wie möglich – die Shotgun-Methode. Video-Content ist hier besonders zu empfehlen: In den sozialen Medien generieren Videos mehr Interaktion und sie lassen sich mittlerweile sehr einfach mit dem Smartphone produzieren. Alternativ können Medienkooperationen sehr erfolgreich sein. So hat der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) von Beginn an das Projekt „Füchse in der Stadt“ des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung begleitet und mit Radio- und Fernsehbeiträgen von 2015 bis 2016 ca. 320.000 Menschen erreicht. Über 1.500 Foto- und Videobeiträge sind so bei dem Projekt eingegangen.

Ganz anders hat es im Projekt „Wildkatzensprung“ des BUND geklappt. Mehr als die Hälfte von 231 Befragten gaben rückblickend an, dass sie über persönliche Kontakte von dem Projekt erfahren haben – über Projektkoordinator*innen, Freund*innen und Familie (Moczek et al., 2018). 17 Prozent sind über Zeitungsberichte auf die Infoveranstaltungen aufmerksam geworden. Flyer, Radio und Social Media haben zu Projektbeginn nur eine kleine Rolle gespielt. Britische Studien bestätigen diese Ergebnisse und belegen, dass Mundpropaganda eine effektive Form der Rekrutierung ist - zumindest in Naturschutzprojekten (Ockenden et al., 2007; Unell et al., 2012). Zu beachten ist jedoch, dass die im Projekt Wildkatzensprung Engagierten durchschnittlich 57 Jahre, überwiegend männlich und Akademiker waren. Visiert man im eigenen Projekt eine andere Zielgruppe an, etwa Millenials, könnten andere Kanäle erfolgreich sein. 

Eine Stunde pro Woche? Dann mach ich‘s

„Freiwillige müssen erkennen können, ob das Projekt zu ihnen passt. ’Tut etwas Sinnvolles für den Naturschutz!’ ist für Viele ein Auslöser sich für ein Projekt zu interessieren, die Entscheidung zum Mitmachen hängt aber von vielen weiteren Faktoren ab“, sagt Nicola Moczek. Die promovierte Psychologin forscht und berät Projekte zur Zusammenarbeit zwischen Bürger*innen und Wissenschaftler*innen in CS-Projekten. Für Bürger schaffen Wissen arbeitet sie aktuell an Kriterien zur Einordnung der verschiedenen Formen der Zusammenarbeit. Moczek plädiert für klare Aufgabenbeschreibungen und nennt als Beispiel die Projektwebsite. Diese ist in der Regel die erste Anlaufstelle für Interessierte und sollte deswegen klar strukturiert sein sowie folgende Fragen direkt beantworten: Welche Voraussetzungen und Kompetenzen braucht es? Wie und was kann ich lernen, werde ich für die Aufgaben trainiert? Was passiert mit meinen Daten? Wen kann ich ansprechen? Und vor allem: Wie hoch ist der Zeitaufwand? O’Brien et al. (2010) hat herausgefunden, dass Zeitmangel eine der wichtigsten Hürden für ein Engagement im Naturschutz ist. Übereinstimmend gibt Moczek die Aussage einer befragten Bürgerwissenschaftlerin im Projekt „Wildkatzensprung” wieder: „Als ich dann gehört habe: Das ist eine Stunde pro Woche. Da habe ich sofort gesagt: Okay, das kann ich machen.”

In der Projektkommunikation sollte auch erkennbar sein, welche Mehrwerte Citizen Scientists aus ihrem Engagement ziehen können. „Die Freiwilligen wollen Lernen. Es geht ihnen um einen persönlichen Wissenszuwachs, das sind sowohl theoretisches Fachwissen und Methoden der Forschung als auch das praktische Anwenden, zum Beispiel bei der Bestimmung von Arten“, sagt Moczek. Kleine Charakterskizzen von bereits engagierten Citizen Scientists, etwa als Blog- oder Videobeitrag, können dies sichtbar machen und die Rekrutierung von Freiwilligen fördern (van den Berg et al., 2009). Interessierte können so sehen, was sie durch ein Engagement gewinnen können und ihre Motivation mit der von bereits Engagierten abgleichen.

Motivation durch Feedback und Gemeinschaft

Viele Studien haben gezeigt, dass meist ein kleiner Kern von Bürgerwissenschaftler*innen den Löwenanteil von Daten in Citizen-Science-Projekten beiträgt (Hecker et al., 2018). Ein Großteil der Freiwilligen engagiert sich dagegen nur für kurze Zeit und probiert das Projekt lediglich aus. Wie man die beiden Gruppen am besten anspricht, ist noch nicht erforscht. Ryan et al. (2001) hat aber herausgefunden, dass Langzeit-Freiwillige besonders durch soziale Faktoren engagiert bleiben, neue Freiwillige vorwiegend durch den Willen, die Umwelt zu schützen und neue Dinge zu lernen. An die Gruppen angepasste Kommunikationsformate könnten also sinnvoll sein.

Um Citizen Scientists langfristig zu motivieren, empfiehlt die Literatur vor allem ein unmittelbares Feedback zur Dateneingabe und den Forschungsergebnissen. So hat sich die Teilnehmerzahl in dem Monitoring-Projekt eBird verdreifacht, nachdem die Citizen Scientists auf ihre Daten zugreifen und mit anderen diskutieren konnten (Bonney et al., 2009). Motivation kann auch über regelmäßige Newsletter und Blogeinträge aufrecht erhalten bleiben, welche die aktuellen Ergebnisse, neue Teilnehmende und Fortbildungen präsentieren.

Essentiell für ein langfristiges Engagement sind vor allem soziale Faktoren (Ryan et al., 2001) „Der wechselseitige Austausch von Wissen, Können und Erfahrung zwischen Bürger*innen und Wissenschaftler*innen ist der größte Mehrwert von Citizen-Science-Projekten“, bestätigt Moczek. „Daher sind auch die persönlichen Begegnungen bei Exkursionen, Methodentrainings, Workshops und Vorträgen so wichtig." Sind die Freiwilligen jedoch im ganzen Land verteilt, kann dieses Bedürfnis auch online erfüllt werden. So wurde im bundesweiten Projekt „senseBox” - eine Do-it-yourself-Wetterstation - ein Online-Forum eingerichtet, um der Community die Gelegenheit zu bieten, sich über Ergebnisse, Probleme und neue Weiterentwicklungen des Bausatzes auszutauschen. Auch über die sozialen Medien, wo @SenseBox_De sehr aktiv ist, lässt sich laut Bell et al. (2008) ein Gemeinschaftssinn in Citizen-Science-Projekten erzeugen.

Unsere Empfehlung: Früh Gedanken machen

Viele der hier vorgestellten Kommunikationsformate funktionieren am besten in einzelnen Projektphasen und für bestimmte Zielgruppen. Sie umzusetzen, kann mehr Zeit beanspruchen als anfangs erwartet. Unsere Empfehlung lautet daher: Früh Gedanken machen über eine Kommunikationsstrategie. Wer ist zuständig? Welche Kanäle sind sinnvoll? Wer ist meine Zielgruppe? Und ganz wichtig: Geht es gerade um Aufmerksamkeit, Rekrutierung oder Motivation? Für Projektkoordinator*innen ist es dabei äußerst wichtig, die Bedürfnisse und Wünsche der Freiwilligen zu kennen.

 

Literatur

Penner, L.A. (2002). Dispositional and organizational influences on sustained volunteerism: An interactionist perspective. Journal of Social Issues 58(3): 447–67, DOI: https://doi.org/10.1111/1540-4560.00270 

Moczek, N. (2018). Motivationen für freiwilliges Engagement im Citizen-Science-Projekt „Wildkatzensprung. Natur und Landschaft 4-2018.

Ockenden, N. (2007). Volunteering in the natural outdoors in the UK and Ireland: A literature review. London, UK: Institute for Volunteering Research.

Unell, J., Castle, R. (2012). Developing sustainable volunteering within the Natural Connections Demonstration Project: A review of evidence. Natural England. Commissioned Report NECR096. Available at publications.naturalengland.org.uk/file/1995537 (Last accessed 21st August 2015). 

O’Brien, L., Townsend, M., Ebden, M. (2010). “Doing something positive”: volunteers’ experiences of the well-being benefits derived from practical conservation activities in nature. Voluntas 21: 525–545, DOI: https://doi.org/10.1007/s11266-010-9149-1 

van den Berg, H.A., Dann, S.L., Dirkx, J.M. (2009). Motivations of adults for non-formal conservation education and volunteerism: Implications for programming. Applied Environmental Education & Communication 8(1): 6–17, DOI: https://doi.org/10.1080/15330150902847328

Lowry, C.S., Fienen, M.N., Hall, D.M., Stepenuck, K.F. (2019).Growing pains of crowdsourced stream stage monitoring using mobile phones: The development of crowdhydology. Frontiers in Earth Science 7: 128. 

Hecker, S., Haklay, M., Bowser, S., Makuch, Z., Vogel, J., Bonn, A. (2018). Citizen Science: Innovation in Open Science, Society and Policy. UCL Press, London.  

Ryan, R.L., Kaplan, R., Grese, R.E. (2001). Predicting volunteer commitment in environmental stewardship programmes. Journal of Environmental Planning and Management 44(5): 629–648, DOI: https://doi.org/10.1080/09640560120079948

Bonney, R., Cooper, C.B., Dickinson, J., Kelling, S., Phillips, T., Rosenberg, K.V., Shirk, J. (2009). Citizen Science: A developing tool for expanding science knowledge and scientific literacy. BioScience 59(11): 977-984. 

Bell, S., Marzano, M., Cent, J., Kobierska, H., Podjed, D., Vandzinskaite, D., Reinert, H., Armaitiene, A., Grodzińska-Jurczak, M. and Muršič, R. (2008). What counts? Volunteers and their organisations in the recording and monitoring of biodiversity. Biodiversity and Conservation 17(14): 3443–3454, DOI: https://doi.org/10.1007/s10531-008-9357-9

Yannick Brenz

Der Biologe ist seit Februar 2019 Volontär bei Wissenschaft im Dialog. Dort unterstützt er unter anderem das Projekt Bürger schaffen Wissen.